HeuGeVe-Roetgen
Es hat mich immer wieder dorthin gezogen bis auf den heutigen Tag, wollte ich doch diese Stille
erleben, das Wild bei der Äsung beobachten und auch einmal mit dem Opa auf die Jagd gehen.
Ein Erlebnis erster Güte. Morgens zwischen drei und vier Uhr aufstehen, durch den Großvater
geweckt. Anziehen bei Kerzenlicht. In der Küche angekommen ein kleines Essen mit einer
Tasse Milch mit Honig, alles im Halbdunkel der Petroleumlampe. Gummistiefel, ein kleiner
Rucksack und warme Kleidung waren das Rüstzeug. Der Großvater nahm seinen Drilling und
Patronen sowie das Fernglas und wir gingen wortlos über die Wiesen in den Wald. Hinter den
Hecken wurden vor der Pirsch Laub und trockene Äste weggeräumt, hätte doch das Knacken der
Äste und auch unnötiges Rascheln uns verraten; eine Arbeit wie das Bauen und Ausbessern der
Hochsitze eine Jagd erst ermöglichen. Der Eichelhäher als Polizist des Waldes verhielt sich Gott
sei Dank ruhig. Vorsichtig stiegen wir den Hochsitz hinauf An allen vier Seiten war eine Luke
angebracht. Der Specht als Frühaufsteher hämmerte schon. Eichhörnchen huschten wie Spione
hier und da durchs Geäst. Alles irgendwie unheimlich und doch vertraut. Mit etwas Glück, den
richtigen Hochsitz gewählt zu haben, bekamen wir das erste Rotwild zu Gesicht. Vorsichtig und
aufmerksam betrat das Leittier die Lichtung, andere Tiere folgten. Wir selbst vermieden jedes
Geräusch in dieser Spannung. Irgendetwas muss die Tiere jedoch vergrämt haben, so war die
Lichtung schnell wieder leer. An diesem Morgen haben wir kein Rotwild mehr gesehen und
doch war es ein Erlebnis. Auf dem gemütlichen Nachhauseweg erzählte der Großvater einige
Anekdoten von der Jagd und vom Leben auf Reinartzhof. Aus alledem konnte ich entnehmen,
dass der Jäger auch Heger und Pfleger sein muss. Durchgefroren kamen wir wieder nach Hause,
noch rechtzeitig zu einem ausgiebigen Frühstück: belgisches rundes Weißbrot, Speck und Ei,
hausgemachter Schinken, Wurst aus dem Glas und Pflaumenmarmelade. Zusammenfassend war
es ein gelungener Morgen.
Draußen vor der Tür stand eine einfache Holzbank, auf der ich die ersten Gedichte schrieb,
leider sind diese mir abhanden gekommen. Drei Kastanien hinter dieser Bank, für mich ein
Wahrzeichen des Unterhofes, stehen heute noch 45 Jahre nach Verlassen dieser Enklave. Dass
dieser kleine Ort wie zu einer Wallfahrt einmal im Jahr zu Pfingsten besucht wird, ist den
Pfadfindern aus Raeren und der Forstbehörde zu verdanken.
Einen Tag nur auf diesem Gehöft, so begleitet er doch das ganze Leben.