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New Braunfels, den 30. Oktober 1869
Lieber Freund Friedrich Welter!
Ich muß doch noch einmal an Dich schreiben. Deinen Brief vom 23. Mai haben wir am 30. Juni
erhalten und haben uns sehr gefreut, dass sie noch alle frisch und gesund waren. Ich habe am 22. Juli
wieder einen Brief auf die Post getan, aber bis jetzt noch keine Antwort darauf erhalten. Wir sind hier
auch noch frisch und gesund und freuen uns alle Tage, von Euch sprechen zu können. Weil Du mir
schriebst, dass es Euch nicht vom Besten geht, haben wir Euch mehr wie hundertmal bei uns
gewünscht. Wir haben hier eine gute Ernte gemacht: Vierhundert Büchel (Garben?) Korn und
Viertausend Pfund Baumwolle eingebracht. Die Baumwolle hat einen guten Preis: Hundert Pfund vier
Dollar, fertig 15 Dollar. Das Korn aber ist billig: einen halben Dollar der Büchel.
Im Falle, dass Du den letzten Brief nicht gekriegt haben solltest, will ich Dir schreiben, dass wir hier
auch Gesetze und Obrigkeit haben und viel besser als Ihr, denn wir wählen alle Beamten selbst, und
zwar keine Kalterherberger oder ein Bachkobes. Der beste Boden ist der Schwarze; er ist 3 bis 5 Fuß
tief und fettig wie Torf. Der Grund, weshalb man hier mehr und bessere Früchte erzielen tut, liegt im
warmen Klima. Die Ochsen, die man zum Ackern gebraucht, werden gefüttert und zwar mit Mais, Korn
und Zuckerrohr. Die Kühe können sich fast den ganzen Winter im Freien ernähren, so dass wir keine
Futterwiesen und Heubenden nötig haben. Im Laufe dieses Sommers hat das Wasser großen Schaden
getan in ganz Texas: Viele große Stücke Baumwolle und Korn, Fabriken, Mahlmühlen, Gerbereien,
Farb- und Sägemühlen und Brücken sind zugrunde gegangen, wie auch viel Menschen umgekommen.
Später kam ein großer Sturmwind und nahm in Braunfels 30 Häuser mit, das heißt sie wurden gänzlich
ruiniert. Sonst weiß ich keine Neuigkeiten.
Es kommen immer neue Einwanderer, aber keine von Roetgen. Vor 14 Tage war die ganze Stadt voll
Einwanderer, und so geht das immer zu. Daher steigt das Land fortwährend im Preise, das heißt,
dasjenige, welches gelegen liegt und fruchtbar ist und wo Handel und Wandel ist. Wo aber noch die
alten Indianer hausen und kein Verkehr, kein Handel und Wandel ist, da gibt es noch tausende Gebiete
Ackerland, die man für nichts kriegen kann. Du hast mir geschrieben, dass der Julius Förster Lust
habe, nach Amerika zu kommen; das habe ich nicht mehr vergessen und vergesse es auch ferner
nicht; wenn ich noch lange lebe, so werde ich womöglich helfen. Er müsste mir einen Brief schreiben
und meiner Schwägerin Anna, denn meine Schwestern Anna und Lena verlangen sehr danach. Der
Ernst Schnitzler und seine Frau lässt alle Familienangehörigen grüßen; er ist noch gesund und wohl.
Indem ich alle Verwandten und Bekannten und alle alten Nachbarn herzlich grüße, wünsche ich Euch
ein Lebewohl bis auf "Wiedersehen".
Carl Kreitz, New Braunfels, Texas Amerika, Comal County
N.B. Lieber Friedrich, ich habe Dir die Wahrheit geschrieben, wie es bis jetzt ist; in die Zukunft kann ich
freilich nicht gucken. Wenn Ihr solltet Lust haben, nach Amerika zu kommen, dann lasst Euch von
keinem abschrecken. Schreibe Du mir gleich, und mache die Briefe nicht frei, denn wir bezahlen den
Porto ganz gerne. Hier gebe ich Euch die Hand und hoffe bald auf Antwort. Im nächsten Brief werde ich
Euch über alles genau Auskunft geben.
Carl Kreitz