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Neubraunfels, den 19. April 1869
Lieber Freund Friedrich Welter!
Ich muß doch einmal an Dich schreiben, dass wir noch frisch und gesund sind, wie wir hoffen, dass Ihr
auch noch seid. Ich grüße alle Verwandte und Bekannte und hoffe, dass es Euch alle gut geht; es geht
uns auch gut. Wir haben wieder ein Eigentum, ein schönes Stück Land, ein Haus und Ochsen und
Wagen und arbeiten immer fleißig zu. Der Gustav (Gustav, Rosalie und August, die Kinder von Carl
Theodor Kreitz) beschäftigt sich mit Ochsen und Wagen am Holz fahren, um das Besitztum immer zu
vergrößern. Das Land wird mit Zedernholz eingefasst. Wir haben schon zwei große Unglücke gehabt;
die Frau ist mir auf der See gestorben; da war es mir auch nicht ganz gut ums Herz. Sodann haben wir
siebenundsechzig gebaut und achtundsechzig im Juli sind wir abgebrannt, haben aber schon wieder
von neuem gebaut. Doch hat uns das Unglück um zwei gute Jahre zurückgesetzt. Wir haben einen
schö-nen Platz inne und hundertdreiundsechzig Acker gutes Land (zwei Acker sind ungefähr 1 1/3
hiesige Morgen, drei Acker etwa 2 Morgen), zwanzig Acker bepflanzt mit Maiskorn und Baumwolle. Die
Baumwolle ist eine gute Ernte, wenngleich sie viel Arbeit erheischt. Die Rosalie ist am Palmsonntag
konfirmiert worden und der August geht in die Schule.
Der Gustav ist sehr groß und stark geworden und würde jetzt in Potsdam stehen müssen, wenn er zu
Roetgen geblieben wäre. Die alte Frau Kreitz lebt noch und grüßt alle ihre Verwandte und Bekannte,
welche noch leben; sie ist in die siebziger Jahre und lebt bei ihrer Tochter Susanne (Ehefrau von Peter
Kreitz, vulgo Rommels und Gräpps Pieter, weil sie auf der Gräpp wohnten, waren schon in einem
früheren Jahre mit ihrer Tochter Susanne ausgewandert). Im verflossenen Monat März sind es drei
Jahre, dass der Peter Kreitz, ihr Ehemann, gestorben ist. Soviel ich weiß, lebt sonst noch alles von
Roetgen. Meine Schwestern Lisbeth, Anna und Lena lassen alle Verwandte und Bekannte grüßen und
sind noch alle frisch und gesund, und ihre Kinder vermehren sich wie der Sand am Meere. Die Anna
hat deren 12 lebendig und die Lena 10 (Anna und Lena Kreitz, Schwestern des Karl Kreitz, welche
schon früher ausgewandert waren), alle gesund und stark.
Das Land ist doch viel besser hier, wie in Europa; man braucht nie zu düngen; es wächst alles, wenn
es nur Feuchtigkeit hat. Ich sage Dir Friedrich, es ist viel besser in Amerika als in Europa. Wer hier
fleißig ist, kommt alle Tage vorwärts und nicht rückwärts. Das Land ist wohlfeil, 2 bis 3 Dollar per Acker.
Das Rindvieh 4 bis 5 Dollar per Stück. Ein Joch Ochsen 25 bis 30 Dollar. Die Arbeiter werden gut
bezahlt: Zimmerer, Maurer, Schreiner usw. 1 bis 2 Dollar pro Tag; Dienstmädchen 6 bis 8 Dollar pro
Monat; Jungens von 15 Jahren 8 bis 10 Dollar pro Monat. Dabei sind die Lebensmittel billig: das Korn
kostet ein Cent per Pfund, das Fleisch 3 Cent. Hundert Cent ist ein Dollar. So kann man mit eine
Woche Arbeit einen Monat leben. Eier kosten 10 Cent per Dutzend. Ich schreibe Euch die Wahrheit,
das können Sie glauben oder nicht. Ich rufe keinen und halte auch keinen zurück. Aber die armen
Leute, die gerne kommen wollen und können nicht, die dauern mir. Hundertmal habe ich zu meinen
Kindern gesagt, wenn sie Brot und Fleisch herumschmissen: Wenn doch die armen Leute in Europa es
hätten, wo viele in ihrem ganzen Leben kein Fleisch zu essen bekommen.
Ich schließe und grüße nochmals alle Verwandte und Bekannte und bitte Dich, schreibe Du bald
Antwort (ist kurz nach Ankunft des Briefes geschehen). Ich werde Dir auch gleich wieder schreiben,
alles wie es in Amerika zugeht.
Die Adresse ist: Carl Kreitz, Comal County, Texas, Amerika