Achter Brief:                                                                                Roetgen, den 28. Mai 1865

 


Lieber Freund!

 

   Eine der fruchtbarsten Distrikte, die man im ganzen Montjoier Land antrifft, bildet das hügelige Thal, welches mit dem Namen Ruhrberg oder in den Bergen bezeichnet wird; ein Name, der nicht passender gewählt hätte werden können, indes das Thal der Ruhr mit seinen zahllosen Nebenbächlein hier von allen Seiten mit bewaldeten und unbewaldeten Bergen, Hügeln und Felsen umlagert und eingezwängt ist, so daß der Fluß nur mit großer Mühe und ungeheuren Umwegen weiter kommt. Gewiß ist es nicht unbegreiflich, wie ein Dorf, welche inmitten dieser Berge auf einer sehr isolierten und beinahe von allem nachbarlichen Verkehr abgeschnittenen Stelle entstand, den Namen Ruhrberg erhalten konnte. Doch liegt dieses Dorf, welches wir auf unserer Route nächst Steckenborn zuerst antreffen, durchaus nicht an einer armseligen Stelle, denn es hat um sich herum ausgedehnte Acker- und Thalwiesen, die an Fruchtbarkeit denen des Jülicher Landes wenig nachgeben und die daher, trotz der geringen und beschwerlichen Communikation mit der Nachbarschaft ihre Bebauer mit einem reichlichen Gewinne und dauerhaften Wohlstand belohnen. Sobald man den, bei meinem letzten Bericht über die Reise erreichten Fluß, von Steckenborn kommend, überschritten hat, tritt man schon in die gesegneten Gefilde des Dorfes Ruhrberg ein. Sanft ansteigend gelangt man durch ununterbrochene Saatfelder in Zeit von einer Viertelstunde nach Ruhrberg.

   Den 25. Juli: Das Dorf Ruhrberg ist nicht sehr groß und zerfällt in zwei Theile. Das eigentliche Dorf Ruhrberg liegt südwärts ganz im Thale und hat die schönsten Wiesen um sich herum liegen, die man sich denken kann. Die Häuser sind, ihrer Lage als auch ihrer Bauart gemäß, durch und durch ländlich, so daß das Ganze recht hübsch und malerisch erscheint und zwar malerisch im richtigen Sinne des Wortes. Jener andere Theil des Dorfes, in welchem auch die Kirche steht, wird speziell „Hüvel“ genannt, wahrscheinlich weil er auf einen nicht sehr hohen Hügel gelegen ist. Die Kirche liegt auf dem höchsten Punkte dieses Hügels und nimmt sich, auch aus der Ferne von einem der vieler umliegenden Berge herabgesehen, sehr hübsch aus; denn weil die übrigen Häuser so mit Hagen und Bäumen (größtentheils Obstbäume) umgeben sind, daß man dieselben bei einer oberflächlichen Besichtigung nicht gewahrt und nur die von außen mit Kalk übertünchte Kirche sowie das ostwärts gelegene Pastorath erblickt, so glaubt man eher eine Eremitage oder einsame klösterliche Anstalt zu sehen, als ein Dorf. Die Kirche in Ruhrberg ist klein und im Innern wie im Äußeren einfach hergerichtet, aber doch dem Umständen angemessen; das Pfarrhaus ist noch neu.

   Als zweiter Pfarrpatron wird der hl. Cornelius verehrt, dessen Fest im September feierlich begangen wird, und zwar mit einer Oktave, ganz so wie in Cornelimünster. Auch sind hier die nämlichen Ablässe und Verdienste mit der Begehung des Festes verbunden; daß aber in Ruhrberg kein so großer Andrang von Fremden und Pilgern stattfindet, wie in Cornelimünster, ist wegen der isolierten Lage des Ortes und anderen Schwierigkeiten, wohl nicht zu bewundern. Zweimal habe ich es getroffen, daß ich bei einer solchen Rundreise gerade an diesem Feste in Ruhrberg ankam. Einmal am Vorabend des Festes; ich blieb damals im Dorfe über Nacht und hatte dadurch Gelegenheit, mir die schwachen Vorbereitungen zur Feier etwas genauer anzusehen. Es ist ein bloß kirchliches Fest, insofern als gar keine Volksbelustigung stattfindet, eine sogenannte „Döppeskörmes“.

   Im Wirthshaus, wo ich übernachtete, wurde als Nachtessen auf gewöhnliche Art zubereitete Kartoffeln aufgetischt; zuletzt kam jedoch auch ein Kirmeszeichen, nämlich es wurden Reistorten (Flaam) aufgetragen, die so massiv waren, daß ich den Mund nicht mal weit genug öffnen konnte. Ich fand also hier, was ich in Kalterherberg vergeblich gesucht hatte. Hierzu: Für den Fall, daß Du einmal in jene Gegend kämst und ein Nachtquartier suchen müßtest, will ich bemerken, daß in Ruhrberg kein Wirthshaus ist, wo Fremde regelmäßig übernachten. Ich kam bei einem Wirthe Bongards unter, der seit längerer Zeit mit meinem seligen Vater befreundet gewesen und nur deshalb fand ich Aufnahme.  

   Am anderen Morgen, als gerade in der Kirche der feierliche Gottesdienst beginnen sollte, mußte ich von Ruhrberg wegreisen. Unterhalb Ruhrberg begegnete mir die Einwohnerschaft aus Woffelsbach und aus einem andern Dörfchen, dessen Name ich nicht mehr weiß, das aber mit Woffelsbach zur Pfarrei Ruhrberg gehört, und hier hatte ich Gelegenheit mir die festlichen Trachten des Volkes in Augenschein zu nehmen. Es waren solche Moden und Trachten, wie sie vor etwa 30 Jahren auch bei uns zu Lande noch herrschend waren. Namentlich stach bei den Frauenspersonen noch das blendend weiße, um den Rand mit gleichfarbigen Stickereien versehene Tuch in die Augen, womit in meinen Kinderjahren auch bei uns zu Lande noch der Kopf mancher Weibsperson geziert war. Der Schnitt des Kleides bei dem Weibervolke war für mein Auge vollkommen „altfränkisch“. Hier und da sollte man bei uns auch noch ein altes Mütterchen finden, das sich in solcher Tracht gefiel. Die Mannspersonen nähern sich mehr dem allgemeinen Gebrauche, wie denn diese überhaupt besser an eine einmal gebräuchliche Kleidermode festhalten, wodurch sich bekanntlich in dieser Beziehung Zeiten und Länder mehr ähnlich sind, als das bei der Frauenkleidermode der Fall ist. 

   Von Ruhrberg führt meine gewöhnliche Marschroute mich nach Schmidt, auf welche Tour ich das Dörfchen Woffelsbach zu passieren habe. Man gebraucht von Ruhrberg nach Schmidt etwa zwei Stunden; bis Woffelsbach eine halbe Stunde; und zwar ist dieser Weg einer der unbequemsten im ganzen Lande. So geht man zuerst stark bergunter durch Ackergefilde, dann an einem bewaldeten linken Gehänge des Ruhrthales hinab. Tief im Thale fließt die Ruhr, fast senkrecht unter den Füßen, halbkreisförmig um das obenerwähnte Dörfchen herum, welches recht anmuthig auf einer reizenden, gut kultivierten und fruchtbaren Thalfläche des jenseitigen Ruhrufers liegt und, wenn ich nicht irre, Pleushütte genannt wird. Berichtigung: Pleushütte liegt links der Ruhr bei Einruhr, der Häusercomplex hier heißt Weidenau. Alsdann gelangt man im Thale des Ruhrflußes, woselbst ein hübsches hölzerner Kreuz steht mit der Inschrift: „Charfreitag 1852“. Von diesem Kreuz hinweg geht dann der Weg wieder stark bergan und man gelangt auf eine nicht sehr umfangreiche, aber unbebaute waldlose und felsige Höhe, von welcher man vor sich am Abhang und im Thale Woffelbach erblickt. Um dieses zu erreichen, muß sodann wieder den Berg runter gegangen werden.

   Woffelsbach ist ein kleines Dörfchen  von 43 Häusern, ohne Kirche und Kapelle und ist wie bereits erwähnt, nach Ruhrberg eingepfarrt. Es liegt sehr dumpfig und ungesund, von lauter hohen bewaldeten Bergen eingeschlossen, im Thal eines Nebenflußes der Ruhr, welches Flüßchen ihm, nach meinem Dafürhalten, den Namen verliehen hat. Die Einwohner leben wie im benachbarten Ruhrberg sehr zurückgezogen und halten einfach an den alten Sitten und Gebräuchen fest, ohne sich vom Strudel der modernen Aufklärung und Bildung, welche Eigenschaften jetzt auch in so manchem Orte auf dem Lande gleichsam als Hausgötter ihren Wohnsitz aufgeschlagen und sich festgesetzt haben, beirren und fortreißen zu lassen. Dadurch bleibt aber auch manche nützliche Wissenschaft diesen Leuten fremd und von mancher vortheilhaften Kenntnis im Gebiete des kulturgewerblichen und physikalischen Lebens, die durch den Fortschritt des neuen Zeitgeistes schnell entdeckt und für alle Stände fast unentbehrlich geworden ist, wissen sie nichts. Nach althergebrachter Weise betreiben sie ein Jahr wie das andere ihre Viehzucht, bebauen den Acker, dreschen ihre Frucht, bereiten sie den Flachs und verarbeiten ihre Leinwand usw., und wo eine neue Erfindung ihnen hilfreiche Hand leisten könnte, oder eine neue Wirthschaft ihnen vortheilhafte Kenntnisse von der Person des Menschen oder den häuslichen und ökonomischen Wirthschaften beibringen könnte, da gelangt solches nicht zu ihrer Kunde, oder aber mit vorurteilsvollen Ansichten verirrt, begreifen sie es als eine nutzlose „neue Mode“. So zum Beispiel ist man hier zu Lande in Betreff der notwendigen Lebensregeln zur Erhaltung der körperlichen Gesundheit sehr unwissend. Nach der Mittheilung eines hiesigen Einwohners, welcher eine Zeitlang in Ruhrberg wohnte, halten die Leute dort und in Woffelsbach und in den anderen Ortschaften der Ruhrthäler eine Bewegung in freier Luft sowie die Lüftung der Wohnzimmer fast für schädlich; mit gewissenhafter Sorgfalt halte sie die Läden an ihren dumpfigen und wegen der beengten Lage ohnehin ungesunden Wohnungen selbst an den heißesten Sommertagen stets verschlossen, damit nur ja kein Lüftchen eindringen und die Bewohner schaden möge. Bei der hier oft grenzenlosen Hitze im Sommer verschmachten sie lieber in ihren engen und niedrigen Stübchen, als daß sie sich heraus machten in die freie Natur und ihrem Körper dadurch neues Leben und frische Kräfte verschafften.

   Mein Aufenthalt in den Ortschaften ist immer zu kurz, um hierüber viele eigene Erfahrung zu machen; indessen habe ich jedoch nach dem äußeren Ansehen stets schließen können, daß das eben Gesagte Wahrheit ist. Wie es mit der großen geistigen Bildung in den Ortschaften der Montjoier Gebirge überhaupt aussieht, magst Du aus folgendem Exempel ersehen; ich habe die Thatsache deswegen nicht am rechten Ort mitgetheilt, weil sie mir hier besser zu passen schien: An dem eben beschriebenen Wege von Dedenborn nach Kesternich steht ein Haus des Dörfchens Seifenauel dicht am Wege, welches eine ziemliche Anzahl Obstbäume hat. Dort sprach ich vor zwei Jahren einmal an einem heißen Nachmittag ein, um mir für einige Pfennige Äpfel zu kaufen, denn der Durst plagte mich entsetzlich. Ich traf nur die Frau des Hauses an.

   Nachdem ich diese mit einem einfacher „Guten Tag“ begrüßt und die Ursache meine Besuches kund gegeben hatte, hub sie auf den Anblick meiner Tragbrieftasche folgendes kurze Gespräch an im plattdeutschen Dialekt: „Wo va dann süht Ihr, Ich: Vam Rütgen, Sie: Oh, dann süht Ihr geweß der Breevdräger vam Empfänger? Ich: Nee, Sie: We süht Ihr dann, dat err die Teisch am Röggen hat?  Ich: Ich ben der Breefdräger för de Geestliche, Sie: Oh - süht Ihr geestlich? “

   Im Hochdeutschen: Sie: Von wo sind sie her? Ich: Von Roetgen. Sie: Ach so sind sie gewiß der Briefträger des Empfängers (Sie meinte den Steuer Exekutor). Ich: Nein, Sie: Wer sind sie denn, daß sie die Tasche am Rücken tragen? Ich: Ich bin der Briefträger für die Geistlichen.  

   Diese letzte Antwort, mit einer treuherzigen Miene ausgesprochen, machte mich fast laut lachen und ich beeilte mich, mit einem kurzen: „ Jo, ich ben geestlich“ dem Gespräche ein Ende zu machen, worauf sie mir die verlangten Äpfel gab und ich mich fortmachte. Diese Frau hielt mich also auf ihr Mißverständnis hin für einen geistlichen Herrn. Sie hatte nicht mehr Begriff davon, was das Wort geistlich bedeutet, als ein kleines Kind von zwei bis drei Jahren.

   Eine andere auffallende Erscheinung in den Dörfern der „Ruhrberger“ ist die ausnehmend geringe Zunahme der Bevölkerung; oder besser, es findet gar keine Zunahme derselben statt. Nach dem, was mir einst ein Fuhrmann aus Woffelsbach, mit dem ich unterwegs zusammentraf, darüber erzählte, haben die meisten Ehepaare dort nur ein oder zwei Kinder; mit drei Kindern gibt es dort nur sehr wenige Familien. Viele Leute heirathen gar nicht. Daher haben diejenigen, welche heirathen, oft zwei bis drei Häuser mit den dazu gehörenden Grundgütern als einstiges Erbe zu gewärtigen und müssen, wenn sie dieselben beim Tode der Erblasser in Besitz erhalten, das überflüssige Haus oder die überflüssigen Häuser unbewohnt da stehen lassen, indem sich bei solchen Verhältnissen handgreiflich auch keine Anpächter vorfinden lassen. In Ruhrberg und Woffelsbach finden sich daher jederzeit Häuser für die es an Bewohnern fehlt. Jener Fuhrmann selbst stand, wie er mir erzählte, auch in der Lage. Er hatte, da er keine Geschwister besaß, das Haus seiner verstorbenen Eltern in Besitz und sobald die Eltern seiner Ehefrau, die ebenfalls einziger Kind war, starben, kam er im Besitz derer Hauses und Grundgüter und blieb für eines der beiden Häuser alsdann nichts anders übrig, als es unbewohnt da stehen konnte. Nach meinem Dafürhalten hat diese Erscheinung ihren Hauptgrund in einer gar zu großen Sorge für die Erlangung und Aufrechterhaltung eines schweren Vermögens. Keiner heirathet wenn er nicht ein mehr als doppelt hinreichendes Auskommen vor sich sieht und dann auch gewöhnlich erst in einem Alter, wo auf eine sehr kleine Nachkommenschaft gerechnet werden kann. Diese Regel ist zwar allerdings nicht zu verwerfen, wenn sie aus religiösen und sittlichen Gründen hervorgeht; sie sollte auch in manchen Fabrikorten mehr ins Auge gefaßt werden. Indessen, wo die Sache übertrieben ist, wie in diesen Ortschaften, da zeugt das Resultat nicht mehr von Religions-, Tugend- und Sittlichkeitsgründen, sondern offenbar steht die Gesinnung des Geizes im Spiel.  Daß wirklich eine sehr große Zahl der Einwohner von Ruhrberg und Woffelsbach unverheirathet sterben, beweisen uns die Inschriften auf den Todtenkreuzen des Kirchhofes im Orte. Man liest da fast über das andere Kreuz: „Hier ruht der Jüngling (oder die Jungfrau) N.N.; er (oder sie) starb Anno N.N. im Alter von 50 (60, 70 etc.) Jahren, R.J.P. Alle Gräber sind dort mit einem hübschen hölzernen Kreuze versehen.

   In Woffelsbach ernähren die Leute sich, soweit mir bekannt ist, einzig vom Ackerland. Da die Fruchtbarkeit des Bodens der des im Jülicher Land in nichts nachgibt, so werden alle Arten von Früchten gezogen, die man auch in Letzterem antrifft. Besonders geschätzt sind die hier, und auch in Ruhrberg gezogenen Kartoffeln wegen ihrer Güte und Schmackhaftigkeit. Flachs und Hanf wird auch viel gezogen, woraus die Leute sich die im Haushalt nötige Leinwand bereiten und gilt in Betreff dessen hier noch das alte Sprichwort: „Selbst gesponnen, selbst gemacht ist die schönste Bauerntracht!“

   Den 1. August: Schließlich muß ich Dir noch einige Zeilen schreiben bezüglich des Bücherverkehrs. Ich habe mir aus dem Buche „Geschichte des Kreises Eupen“ schon das Allerwichtigste abgeschrieben, nämlich über Eupen und Raeren, sowie die ganze Geschichte von Brandenburg nebst der Stiftungsurkunde des Klosters. Ich hoffe, daß ich später das Buch noch einmal erlangen werde, denn es steht noch vieles da drin, was ich zu haben wünsche. Ich werde Dir auch bald die anderen Bücher und Büchlein zurück besorgen, welche ich noch hier habe. Wahrscheinlich bin ich  alsdann auch imstande Dir das 4. Heft der „Montjoier Geschichte“ zu schicken oder zu bringen. Früher wollte der Rektor die Hefte nacheinander etwas schneller erscheinen lassen, was ihm jetzt, wegen der enormen Kosten, welche für ihn die Herausgabe des Werkes mit sich führte, und weil noch so viel Material zu sammeln sei, wozu sich Zeit benötigte, wieder Leid geworden ist.

   Es ist bemerkenswerth, mit welchem Fleiß und mit welcher Klugheit derselbe bemüht ist, fortwährend mehr und mehr Material zusammen zu scharren, um dieses Werk zur höchstmöglichen Vollkommenheit zu bringen. Der frühere Pastor Bonn in Lammersdorf hat früher zu einem ähnlichen Zwecke geschichtliche Notizen über das Montjoier Land gesammelt, darunter auch über unser Roetgen, letztere enthalten aber nichts mehr, oder besser, wie mir der Rektor neulich sagte, noch nicht soviel, als intime „Nachrichten“. Durch Zufall war er auch zur Einsicht dieser Arbeiten gekommen. Ferner waren ihm auch schon bekannt, die von einem Kaplan Neuß in Höven gesammelten und für den Druck bestimmt gewesene Schriften zur Herausgabe eines geschichtlichen Werkes über die Entstehung der evangelischen Gemeinden in der hiesigen Gegend. Der hiesige Prediger van Emster hat schon vor 30 Jahren ein Manuskript verfaßt über die Entstehung der reformierten Gemeinde in Roetgen. Durch einen Einwohner aus Stolberger - Mühle, Namens de Berges, hatte er Kunde von der Existenz dieser Schrift erhalten, und sogleich in Erfahrung gebracht, daß dieselbe sich Augenblicklich beim hiesigen Bürgermeister in Leihe befindet. Da er mit oben genannte de Berges, sowie dieser mit unseren Bürgermeister, gut befreundet ist, so hoffte er mittelst Anwendung von List, in den zeitweiligen Besitz der Schrift zu kommen; denn er befürchtete, dieselbe nicht vom Eigenthümer erhalten zu können wegen der Glaubensverschiedenheit. (Wahrscheinlich ist es das nämliche Druckschriftchen, welches wir später vom genannten van Emster geliehen haben und unten Seite 733 dieses Bandes eingetragen ist, Aachen 9/1 bis 69).

   Wenn Du in Raeren welche finden solltest, die zum Abonnement auf das Werk Lust haben, so kannst Du ihnen durch Anmerkung auf mich selbst oder auch durch Deine Vermittlung dazu verhelfen. Ich meine, dort müßten noch viele solcher Bücherwürmer sein, wie Du bist, als zum Beispiel der L. M. von dem Du das bekannte Buch über den Kreis Eupen geliehen hast. Hier in Roetgen, was man auch nicht zur Ehre der Gemeinde eingestehen muß, findet man lauter einzelne Monscheuer, die zu dumm sind, ein Buch zu lesen und zu schätzen. Fünf bis sechs Abonnenten auf die „Montjoier Geschichten“ ist alles, was ich aufzubringen imstande bin. Zum vorläufigen Dank dafür will ich Dir jetzt mittheilen, wo und wie Du selber in den Besitz eines neuen werthvollen und nützlichen Werkes gelangen kannst. Es ist nämlich ein im Werke begriffenes Wörterlexikon der deutschen Sprache. Ein Heft, das erste, lag neulich bei Heusen in Aachen zur Schau aus. Bis jetzt ist dieses Heft nur erst erschienen. Jedes Heft kostet im Wege der Subskription fünf Groschen, 144 Hefte in großes Format mit kleinem Druck, gibt es oder 12 Bände.  Alle 14 Tage soll ein solches Heft von vier Bogen erscheinen. Ich muß jetzt schließen, denn wie Du siehst, ist der Raum bis aufs Äußerste besetzt. Daher grüßt Dich recht herzlich, Dein treuer Freund

                                                                                   Hermann Josef Cosler.