Dritter Brief:
Roetgen, den 13. November 1864
Lieber
Freund!
Dein
werthes Antwortschreiben vom 6. dieses Monats kam mir erst am 9. zu Gesicht,
indem ich während der Kirmestage nur selten zu Hause war. Es hat mir zwar große
Freude gemacht, aber ich kann nicht begreifen, warum Du nicht selber gekommen
bist; und was Du mir von Verzartheit und dergleichen schreibst, gibt mir die
Veranlassung zu glauben, daß Du wegen der Kälte nicht
gekommen bist. Wenn ich dann aber bedenke, wie die Ackersleute an Kälte gewohnt
sind und die bösen Bauern die Witterung viel besser ertragen können als wir
Weber, so zweifle ich hieran und denke, es muß
wahrscheinlich noch ein anderer Grund dagewesen sein. Doch genug, zur Strafe
Deines Ausbleibens will ich diesen Brief die Bemerkungen über das Montjoier
Land weglassen und Dir statt dessen den Brief eines Soldaten aus der preußisch
- holsteinischen Kriegsarmee mittheilen, welche mir dieser Tage durch Zufall in
die Hände geraten ist, worin derselbe den ganzen Feldzug, soweit er mit dem
traurigen Ereignis in Berührung kam, in Kürze beschreibt.
Der
Schreiber des Briefes war früher in Roetgen wohnhaft, von wo er auch gebürtig
ist. Vor ein paar Jahren zog er mit seinen Angehörigen nach Düren. Dort wurde
er zur gehörigen Zeit als Soldat ausgehoben
und trat als solcher im vorigen Herbst in Dienst und zwar wurde er mit
noch zwei anderen Burschen von hier, die gleichzeitig in Dienst traten, dem 4.
Garderegiment (Königin Augusta) einverleibt. Bekanntlich wurde dieses Regiment
bald darauf auf den Kriegsschauplatz nach Schleswig - Holstein versetzt, und so
kam auch er, sechs Wochen nach seinem Dienstantritt, schon in die des
Kriegsgetümmels. Er unterließ es während dieser Zeit nicht, seine vielen hier
wohnenden Angehörigen, Verwandte und Bekannte, von seinen Schicksalen durch
vertraute Briefe zu benachrichtigen, wie er denn auch vor einiger Zeit einmal
an mich geschrieben hat. Der merkwürdigste Brief, den ich von ihm gelesen habe,
ist aber der, welchen ich Dir mittheile. (Dieser
Brief ist Teil von der "Erste Brief" auf Seite 45 bis 57 der
Original-Schrift (W.W.)).
Den 20. November: Nun, lieber Freund, noch ein Wort
über die gehaltene Kirmes, womit ich mein Schreiben dann schließen will. Dein
Ausbleiben soll vergessen sein, weil ein weiteres böse sein zu nichts nutzen
kann und „glücklich ist, wer das vergißt, was einmal
nicht zu ändern ist“. Der Johann Kreischer ist auf Kirmessonntag hiergewesen
und zwar nach dem Hochamt beim Wirth Wilms, was ich des Abends erfuhr. Da ich
nicht im genannten Hause gekommen bin und auch nicht wußte,
daß er hier war, so ist er wieder fort gegangen, ohne
daß wir uns beide gesehen haben. Dies hat mich um so mehr geschmerzt, als wir
solange nicht beisammen gewesen waren und ich ihn von Herzen gern noch einmal
gesprochen hätte. Ich werde nun Sorge tragen, daß ich
bald einmal nach Raeren komme, wo ich auch ihn besuchen will. Wenn Du bei ihm
kommst, so grüße ihn von mir und sage ihm, ich täth mich auch bedanken für den
schönen Besuch, den er mir abgestattet. Nächstens bekommst Du auch das Lied
„Stolze Welt“. Ich weiß nicht, ob die erste Nachricht von mir ein Brief sein
wird, oder ob es persönlich ist, Dein treuer Freund,
Hermann Josef Cosler.