Die kaputten Kellerfenster Marga Wilden-Huesgen
Der Schulalltag war auch in den frühen 50er
Jahren des letzten Jahrhunderts geprägt von
fleißigen, braven Schülern und von den eher
lernunlustigen Zeitgenossen, die Letzteren -
die störenden Elementen in der Klasse - wie
sie von manchen Lehrern betitelt wurden,
machten "Unsinn". Ihnen wurde auch noch
gute Gelegenheit dazu gegeben, da die
"Guten" vorne saßen und die "Schlechten"
hinten. Welch eine Hierarchie, bei den
Jüngsten im Dorf! So lebten diese Schüler ihre
Kreativität eben in Form von vielen Streichen
und Dummheiten aus.
An einem Sommertag kurz vor den Ferien war
es für einen dieser "Schlechten" so richtig
langweilig in der letzten Reihe der Bänke. Er
kam unglaublicher Weise auf die Idee, sein auf der Bank befindliches Tintenfässchen auszutrinken, nicht
ohne vorher, durch kleine Störaktionen, sich vieler Zuschauer aus der Klasse zu versichern. Das konnte
dem Lehrer nicht entgehen, er stelle ihn lautstark und heftig zur Rede und schickte ihn zur Strafe auf den
Flur.
In dem sich langweilenden Schüler brodelten nun die Rachegedanken, ob der heftigen Schelte, die er
bekommen hatte. Er huschte in den Hof und trat dort nacheinander alle in Erdboden Höhe befindlichen
Kellerfenster ein. Das ungewöhnliche Geräusch erregte wiederum die Aufmerksamkeit des
Klassenlehrers, dieser eilte auf den Schulhof und erwischte den Übeltäter, der schon die Hälfte der
Fenster verunstaltet hatte. Er nahm ihn am Schlafittchen und versohlte ihm erst einmal den
Hosenboden. Dann gab er ihm folgenden Befehl: "Du geht jetzt zum Schreiner Knott den Ersatz für die
kaputten Scheiben bestellen, und wenn sie eingesetzt werden, wirst du mithelfen, sie einzubauen, damit
Du siehst, was Du mit Deiner Dummheit für Arbeit und Schaden gemacht hast. Und Du zahlst bist zu
den Ferien jede Woche einen Pfennig in die Klassenkasse". Es können auch 5 Pfennige gewesen sein,
das weiß ich nicht mehr so genau. Bedenken aber sollte man, dass zu dieser Zeit, in der es noch kein
Taschengeld gab, die Kinder nur an Geld kamen, wenn Sie z. B. für eine ältere Nachbarin einkaufen
gingen. Für diese Botengänge erhielt man 1 bis 5 Pfennige; das war begehrtes Geld für den Spartopf
oder für Süßigkeiten, je nach Veranlagung.
Das waren also die "guten alten Zeiten"! Heutzutage ist die oben geschilderte pädagogische
Vorgehensweise für Lehrer sicher undenkbar. Wahrscheinlich würde Er oder Sie sich strafbar machen.
Betrachtet man die Sache dagegen mal genauer, so kann man zu dem Schluss kommen, dass der
direkte Zusammenhang zwischen Tat und Sühne vielleicht doch eine heilsame Vorgehensweise war: Der
Übeltäter erhält seine Strafe und der Pädagoge hat sein Erfolgserlebnis; damit ist die Sache erledigt!
Den Bürokraten und Kriminalisierern wird keine Gelegenheit mehr gegeben, die Angelegenheit unnötig
aufzubauschen.