„Wir hoffen, dass es einen Weg gibt, dieses Kleinod unter den Roetgener Gebäuden doch noch zu retten.“
Sa, 17. Mai. 2014 Eifeler Zeitung / Lokales / Seite 19

Türmchen-Haus ist wohl dem Abriss geweiht 

Markantes Gebäude an der Bundesstraße in Roetgen soll Neubau weichen. Scharfe Proteste des Heimatvereins nutzlos. Denkmalwert laut Gemeindeverwaltung und Oberer Denkmalschutzbehörde nicht gegeben.  Roetgen. „Das alte Roetgen soll abgerissen werden!“ So dramatisch formulierten es Franz Schroeder und Rolf J. Wilden vom Heimat- und Geschichtsverein Roetgen, als sie Kenntnis davon erhielten, dass eines der markantesten Gebäude im Ort verschwinden soll (wir berichteten). Die Rede ist vom Roetgener Ärztehaus, dem so genannten. „Schmiddemhaus“, gelegen an der Bundesstraße 34. Dieses Haus mit dem markanten Türmchen und der teilweisen Fachwerk- Fassade prägt das Ortsbild von Roetgen seit mehr als 100 Jahren. An seiner Stelle soll nun ein neues Gebäude entstehen. Mit einem Abriss setze sich die „fortschreitende Zerstörung des charakteristischen Ortsbildes durch die Entfernung nicht mehr benötigter alter Gebäude fort“, kritisiert der Heimatverein. Da bei der Bauaufsicht der Städteregion Aachen bereits ein Abbruchantrag vorlag, war für den Heimatverein schnelles Handeln angesagt. Man wandte sich an die Untere Denkmalschutzbehörde, um eine Unterschutzstellung des Gebäudes zu erreichen. Obwohl laut NRW-Denkmalschutzgesetz der Verein als Institution nicht „antragsfähig“ ist, hat die Baubehörde daraufhin die Erteilung einer Abbruchgenehmigung vorerst zurückgestellt und einen Antrag an die Denkmalschutzbehörde, zwecks Überprüfung, gestellt. Auch dem Heimatverein ist klar, dass die Denkmalwürdigkeit des Gebäudes fragwürdig ist, da die verschiedenen Eigentümer immer wieder Veränderungen an der Bausubstanz vorgenommen haben. Unter anderem sind die ursprünglichen Fenster erneuert worden. Dabei seien Fragen des Denkmalschutzes „leider nicht beachtet“ worden. Auch sei die untere Etage wegen gewerblicher Nutzung öfters verändert worden. Auf dem 1. Stock soll jedoch die ursprüngliche Bausubstanz (Fußböden, etc.) nach Informationen des Heimatvereins noch erhalten sein. Der Ort Roetgen, findet der Heimatverein, könnte es sich eigentlich leisten, „von Zeit zu Zeit auf einen Abriss zu verzichten, auch wenn kein Denkmalschutz besteht, denn freie Flächen sind noch genug da“. Es wäre die Aufgabe der „Gestaltungsmehrheit“ im Gemeinderat, aktiv zu werden. Beim Bauamt der Gemeinde Roetgen aber sieht man nach Rücksprache mit der Denkmalbehörde den Fall anders: Von der Verwaltung erhielten Franz Schroeder und Rolf J. Wilden jetzt die Nachricht, „dass einer Abrissgenehmigung für das Haus Bundesstraße 34 nichts mehr im Wege steht“ und man den Abriss des Gebäudes akzeptieren müsse. Vorausgegangen war seitens des Heimatvereins auch noch ein Versuch, bei der Oberen Denkmalschutzbehörde eine Unterschutzstellung des Gebäudes zu erreichen. Auch dieser Versuch scheiterte mit folgender Begründung: „Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass das Gebäude die Kriterien gemäß Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen nicht erfüllt“. Das Amt für Denkmalpflege beim Landschaftsverband Rheinland werde daher bei der Kommune auch keinen Antrag auf Eintragung des Objektes in die Denkmalliste stellen, da das Gebäude zu große bauliche Veränderungen aufweise. So seien z. B. die Fenster erneuert, Fensterformate geändert, nachträglich Dachgauben aufgesetzt und insbesondere auch die Rückseite durch den Garageneinbau stark verändert worden. Außerdem fehle dem Gebäude „jegliche städtebauliche Einbindung.“ Einige der genannten Gründe seien unter Denkmalschutzgesichtspunkten „sicher nachvollziehbar“, räumt der Heimatverein ein, aber viele der genannten Mängel könnten auch wieder rückgängig gemacht werden. Der Heimat- und Geschichtsverein Roetgen hat daher bei der Gemeindeverwaltung Beschwerde gegen den Abriss des Hauses an der Bundesstraße 34 eingelegt: „Wir werden den Abriss nicht akzeptieren“, geben sich Schroeder und Wilden kämpferisch. Außerdem wird die Verwaltung gebeten, mit der Oberen Denkmalschutzbehörde erneut Kontakt aufzunehmen unter Hinweis darauf, dass die genannten baulichen Veränderungen reparabel seien und zum Beispiel der nachträgliche Einbau von Dachgauben „nicht schädlich im Sinne des Denkmalschutzes“ sei; dazu gebe es zahlreiche Beispiele an anderen Denkmälern. Die Garage an der Rückseite des Gebäudes könne wieder beseitigt werden. Zeitzeugnis für ein Arzthaus Die alten Eichendielenböden seien teilweise noch erhalten. Einzigartig sei auch die Zimmeraufteilung als Zeitzeugnis für ein früheres Arzthaus. Der Eichendachstuhl ohne Nägel, nur mit Verzapfungen, sei ebenso „einzigartig“. Abschließend schreiben die Verantwortlichen des Heimatvereins: „Es geht gar nicht, dass ein solches Objekt ohne eingehende Untersuchung einfach abgeschrieben wird: Das ist unseres Erachtens nach im Sinne des NRW Denkmalschutzgesetzes schlicht und einfach ungesetzlich. Wir hoffen, dass es einen Weg gibt, dieses Kleinod unter den Roetgener Gebäuden doch noch zu retten“. Annika Thelen vom Roetgener Bauamt kann den Bürgern aber nur wenig Hoffnung machen: „Da ist wohl nichts mehr zu machen. Aus unserer Sicht gibt es keine Möglichkeit, den Abriss zu verhindern. Es sind einfach zu viele Veränderungen vorgenommen worden.“ ▶Angemerkt/1. Lokalseite (P. St.)
Angemerkt

Ein Haus mit Geheimnissen

Peter Stollenwerk Es sind rund 18 000 Fahrzeuge, die täglich über die Roetgener Bundesstraße fahren. Die Menschen in den Fahrzeugen nehmen seit Jahr und Tag im trägen Morgen-Rhythmus des Pendlerverkehrs oft nur noch unterbewusst die markanten optischen Reize des Ortes wahr: Den einstigen „Baby- Markt“, die Ampel, Knauffs belgische Frittenbude und das Haus mit dem Türmchen. Da dürfte es demnächst einige aus dem Halbschlaf des morgendlichen Berufsverkehrs reißen, denn das Haus mit dem Türmchen ist dem Abriss geweiht. Bleiben aber werden die Erinnerungen und Geheimnisse an dieses markante Gebäude. Der Roetgener Printenbäcker Vinbrüx hatte hier einst seinen Laden, später konnte man hier Waffen und Jagdzubehör kaufen. Und dann war da noch jene behördlich nicht genehmigte Nutzungsänderung im Türmchen-Haus. Schummeriges Licht drang durch die Fenster, die Gerüchteküche war überhitzt. Konnte man hier einkehren und je nach Gefühlslage glücklich, einsam oder arm werden? Das Türmchen-Haus wird bis zu seinem Abriss nicht alle Geheimnisse preisgeben. Es ist emotional nachvollziehbar, dass der Roetgener Heimatverein das Verschwinden der alten Bausubstanz bedauert, aber sollte ihn das daran hindern, tiefer in die Geschichte des Hauses zu einzudringen? Zeitzeugen dürfte es noch genug geben.