Sa, 10. Mai. 2014 Eifeler Zeitung / Lokales / Seite 19
„Das ist ein unerträglicher Gedanke“
Heimat- und Geschichtsverein kritisiert den geplanten Abriss des Ärztehauses und eine Zerstörung
des charakteristischen Ortsbildes.
Roetgen. „Das alte Roetgen soll abgerissen werden.“ Diesen Eindruck hat zumindest der Heimat-
und Geschichtsverein (HeuGeVe) Roetgen, der die diversen Bauprojekte aufmerksam verfolgt. „Wir
meinen damit nicht die zahlreichen neuen Bebauungsgebiete, die sicher von den meisten
Roetgenern als positive Entwicklung für unseren Ort angesehen werden“, stellen Franz Schroeder
und Rolf J. Wilden vom Heimat- und Geschichtsverein klar. „Sondern die fortschreitende Zerstörung
des charakteristischen Ortsbildes durch die Entfernung nicht mehr benötigter alter Gebäude.“
Genug freie Flächen vorhanden
Als im März auf der Bundesstraße eine Buchenhecke „umgelegt“ wurde, war das einen
ausführlichen Presseartikel wert, kritisieren Wilden und Schroeder. Dabei würde eine solche Hecke
mühelos innerhalb von 20 Jahren nachwachsen, alte Häuser hingegen würden für immer
verschwinden.
Es sei natürlich wahr, dass viele dieser Bauwerke, deren Verschwinden der HeuGeVe beklagt,
weder historisch relevant noch besonders kunstvoll errichtet seien. „Meist stehen sie schon sehr
lange, hatten für die Bevölkerung allerdings eine wichtige Funktionalität und prägten für mindestens
ein Jahrhundert unser Ortsbild“, sagen Rolf J. Wilden und Franz Schroeder und nennen einige
Beispiele: das Haus am „Siefchen“ oder das alte Schuhgeschäft („Scheßjupp“) an der
Rosentalstraße. Viele Leute mögen es nicht, wenn so etwas „sang- und klanglos“ beseitigt wird,
sagen die Vertreter des HeuGeVe. Sie meinen, dass es sich Roetgen eigentlich leisten könnte, von
Zeit zu Zeit auf einen Abriss zu verzichten, auch wenn kein Denkmalschutz besteht. Schließlich
seien genug freie Flächen da. Der Heimat- und Geschichtsverein sieht an dieser Stelle die Vertreter
im Kommunalparlament in der Pflicht, das zu organisieren, die berechtigten wirtschaftlichen
Interessen der Eigentümer zu wahren und Geschäftemacherei auf Kosten der Allgemeinheit zu
verhindern.
Der geplante Abriss des Roetgener Ärztehauses, dem sogenannten „Schmiddemhaus“, gelegen an
der Bundesstraße 34, stößt deshalb beim Heimat- und Geschichtsverein auf großes Unverständnis.
Wenn das Haus abgerissen würde, sei dies eine weitere Niederlage für die Bewahrer des alten
Roetgener Ortsbildes, so die HeuGeVe-Vertreter. Sie argumentieren, dass das Haus das Ortsbild
von Roetgen schon seit mehr als 100 Jahre prägt – genauso wie die beiden Kirchen, die
Marienkapelle, das Kloster St. Elisabeth oder die Oberförsterei.
„Schon für unsere Urgroßeltern und dann für die folgenden Generationen war hier der Anlaufpunkt
bei kleineren oder größeren gesundheitlichen Katastrophen im ganzen Gebiet um Roetgen“, sagen
Schroeder und Wilden. „Heute wird es nicht mehr gebraucht und soll deshalb abgerissen werden.“
Bei der Bauaufsichtsbehörde der Städteregion Aachen liegt laut HeuGeVe bereits ein
Abbruchantrag für dieses Gebäude vor, der genehmigungsfähig ist. Als der Heimat- und
Geschichtsverein diese Nachricht erhielt, hat er sich mit dem Problem an die untere
Denkmalschutzbehörde gewandt, um eine Unterschutzstellung des Gebäudes zu erreichen.
Nach dem NRW-Denkmalschutzgesetz ist der Heimat- und Geschichtsverein als Institution
allerdings nicht „antragsfähig“.
Die Behörde hat daraufhin die Erteilung einer Abbruchgenehmigung vorerst zurückgestellt und
einen Antrag zwecks Überprüfung an die Denkmalschutzbehörde gestellt. Wenn man die Chancen
für eine Unterschutzstellung des Gebäudes betrachtet, so sollte man folgendes bedenken, sagen
die HeuGeVe-Vertreter: „Das Gebäude scheint zwar in seiner äußeren Form über mehr als ein
Jahrhundert unverändert geblieben zu sein, aber die verschiedenen Eigentümer haben doch über
die vielen Jahre an dem Gebäude einiges instand gesetzt; vor allem sind die ursprünglichen
Fenster erneuert worden.“ Dabei sei ein möglicher Denkmalschutz leider nicht beachtet worden.
Die HeuGeVe-Vertreter gehen aber davon aus, dass diese Dinge wieder korrigiert werden könnten.
Nach Informationen des Heimat- und Geschichtsvereins ist im Innern des Gebäudes die untere
Etage wegen gewerblicher Nutzung öfters verändert worden. Im 1. Stock soll jedoch die
ursprüngliche Bausubstanz (Fußböden etc.) noch erhalten sein.
Der Heimat- und Geschichtsverein Roetgen will daraufhin wirken, dass noch einmal darüber
nachgedacht wird, bevor wieder ein Zeitzeuge Roetgener Lebens „sang- und klanglos“
verschwindet oder einem kurzfristigen Investment geopfert wird. Zwar sind die Details noch nicht
bekannt, aber das Haus soll abgerissen werden. „Schlimmstenfalls wird ein Parkplatz daraus. Das
ist ein unerträglicher Gedanke“, sagen Wilden und Schroeder.
Die Geschichte des Roetgener Ärztehauses: von 1901 bis heute
1901/1902: Das Haus wird von Dr. med. Wilbert erbaut.
1911: Nachdem Dr. Wilbert 1910 erkrankt, praktiziert Dr. Th. Jouck im Haus.
1913: Dr. med. Bulang übernimmt nach dem Tod von Dr. Wilbert Haus und Praxis.
1928: Dr. med. Schmiddem folgt in Haus und Praxis.
1944: Nach der Besetzung praktiziert Dr. Lambertz für kurze Zeit.
1945: Dr. Schmiddem übernimmt wieder die Praxis.
1952/1953: Dr. Thonemann eröffnet seine Praxis.
1957: Nach dem Tode von Dr. Schmiddem, kauft Frau Bossbach das Haus.
1972: Das Ehepaar Lennartz erwirbt das Objekt.
1986: Das Objekt wird als Pizzeria geführt.
1991: Fam. Santana kauft das Haus, um ein Restaurant zu eröffnen.
1992: Christine Vinbrüx erwirbt das Haus; mehrere Läden eröffneten dort in Folge.
1999: wird das Haus an Frau Fuhs-Kleijnen verkauft, die es als Wohnung nutzt.
2014: Ein Investor erwirbt das Haus.
So sah das Ärztehaus um 1930 aus: Die Ansichtskarte zeigt den Blick auf die heutige
Bundesstraße in Richtung Aachen von der Einmündung Jennepeterstraße aus.