Eifeler Zeitung Nr. 125 vom 03.06.2013 /Lokales / Seite 24
Von: Helga Giesen
Letzte Aktualisierung: 31. Mai 2013, 15:27 Uhr
Geschichte der Marienkapelle zum Lesen
Roetgen. Genau 353 Jahre ist es jetzt her, dass die Roetgener ihre erste Pfarrkirche einweihen
konnten. Am Pfingstmontag des Jahres 1660 – es war der 28. Mai – wurde sie nach
vierjähriger Bauzeit unter den Schutz ihrer drei Patrone - der Hl. Hubertus als Namensgeber,
die Allerheiligste Jungfrau Maria und der Hl. Johannes der Täufer - gestellt.
„Grausam geschneit“
Die heutige Marienkapelle an der Ecke Faulenbruch-
/Hauptstraße erinnert an den Standort dieses ersten
Gotteshauses. Nachdem mit der Überführung des
Allerheiligsten am 27. September 1857 die neu erbaute
zweite (heutige) Kirche in Dienst gestellt wurde, wurde
die ehemalige Kirche zur Kapelle zurückgebaut und am
24. Mai 1860, ebenfalls an einem Pfingstmontag, neu
geweiht.
Es habe „grausam geschneit“, vermerkte übrigens
damals ein Chronist. In seinem Buch „Die Kirche im
Dorf“ hat Autor Guido Minninger dieser langen
Geschichte nachgespürt und sie ausführlich dargestellt.
Der Heimat- und Geschichtsverein als Herausgeber
präsentierte es jetzt am Fronleichnamsfest in einem
stimmungsvollen Rahmen in der Marienkapelle.
Das Buch trägt den Untertitel „Daten, Fakten und
Hintergründe rund um die Geschichte der
Marienkapelle in Roetgen“. Um diese zu ermitteln,
habe er dreieinhalb Jahre lang „gesucht, gesammelt und in Archiven gestöbert“, blickt der Autor
zurück.
Aufrufe an die Bevölkerung, Bilder und Dokumente zur Verfügung zu stellen, hätten eine eher
bescheidene Resonanz gehabt. Fündig geworden sei er jedoch in Sammlungen in den USA,
wo sich Dokumente aus dem Jahre 1860 befanden, berichtet er stolz.
Zurückgreifen konnte Guido Minninger auch auf frühere Aufzeichnungen u. a. des Roetgener
„Dorfchronisten“ Hermann Josef Cosler (1839-1872 ), der auf über 3000 Seiten Gespräche mit
Zeitzeugen festgehalten hat sowie von Martha Reinartz, Hermine Wolf, Willi Linzenich und
Hans Steinröx.
Sein Dank galt auch den Autoren von zwei Kapiteln, Alfons Rex für seine Darstellung der
Baugeschichte in Wort und Bild sowie Bernd Stollewerk, dem es gelungen war, alle 200 zur
Bauzeit der ersten Kirche in Roetgen lebenden Einwohner namhaft zu machen.
„Mit viel Liebe und Akribie“ habe Guido Minninger dem geschichtsträchtigen Bauwerk wieder
neues Leben eingehaucht, freute sich Heimatvereins-Vorsitzender Dieter Fischer, der die Gäste
in der Marienkapelle begrüßte.
Mehrfach ausgebessert
Der Autor selbst ließ ausführlich und mit vielen Bildern die Geschichte des ersten Kirchbaus
und der jetzigen Pfarrkirche sowie den anschließenden Rückbau des ersten Bauwerks zur
Marienkapelle Revue passieren und stellte sie in einen zeitgeschichtlichen Kontext.
Der Titel „Die Kirche im Dorf“ besage zum einen, dass dörfliches und kirchliches Leben
untrennbar verbunden waren, zum anderen nehme es Bezug auf den Standort der ersten
Kirche „e je Dörp“ (im Dorf), als Ortsteil damals das Zentrum der verstreuten Siedlungen wie
Brand oder Schwerzfeld. Am Standort der Kirche vorbei verlief über den heutigen Rommelweg
und die Faulenbruchstraße auch die Hauptverbindung von Aachen nach Monschau, die heutige
„Hauptstraße“ spielte damals noch keine Rolle.
Mehrfach wurde die Marienkapelle im Laufe der Zeit ausgebessert und renoviert, ihr heutiges
Aussehen erhielt sie bei einer umfassenden Sanierung 1986. Original erhalten ist noch der
Fußboden hinter der Kommunionbank mit einer eingelassenen Grabplatte. Rolf Wilden stellte in
einer Diashow alte und neue Bilder der Marienkapelle vor und lenkte den Blick auf zahlreiche
Details in Architektur und Ausstattung.
Auch Künstlern hatte der idyllische Ort oft als Motiv gedient. Schüler aus der nebenan
gelegenen Schule stellten sich hier zum Klassenfoto auf und auch viele Roetgener Familien
nutzten die malerische Kapelle als Hintergrund für Familienfotos, ein Zeichen dafür, wie sehr
sich die Bevölkerung immer mit ihrer Kapelle identifizierte.
In einer ökumenischen Andacht erinnerten Gemeindereferent Michael Reimann und Pfarrer
Wolfgang Köhne an das Gleichnis vom Hausbau aus der Bergpredigt. Das Wort Gottes hören
und befolgen schaffe ein lebendiges Haus. „Wir wären heute nicht hier, wenn Menschen dies
nicht über Jahrhunderte getan hätten“, forderten sie auf, diesen Gedanken wieder in die
Gesellschaft zu tragen und damit „die Kirche im Dorf“ zu lassen.
„In Roetgen tun wir dies gemeinsam und nicht in Konkurrenz zueinander“, betonten die
Vertreter der beiden Konfessionen nachdrücklich.
Musikalisch begleitet wurde die Buchpräsentation vom Trio Aquisgrana (Marga Wilden-Hüsgen,
Marlo Strauß, Ricarda Schumann) mit Musik aus dem 17. Jahrhundert, der Zeit der Erbauung
der ersten Kirche.
Das großformatige Buch ist erschienen im Verlag Shaker Media. Es umfasst 314 Seiten
mit mehr als 100 Abbildungen und ist zum Preis von 26,90 Euro im Buchhandel erhältlich.