Übersetzung aus dem Life Magazin vom 2. Okt. 1944 (rowi):
Vorstoß in den Westwall
Weiße Fahnen grüßen die Amerikaner in Feindesland
Von Jack Belden
13-Sep-1944, Belgien. Da war nichts Aufregendes zu entdecken an der deutschen Grenze, die ein gemaltes Hinweisschild an einer einsamen Straße für uns kennzeichnete. Es war der dunkle Wald und der Westwall, dieses gigantische Stück Beton, den die GI's nun "Ziegfeld" Linie nannten, die uns beeindruckten. Jener hatte die Franzosen und Engländer in einen passiven und unwirklichen Krieg gelockt, während Polen überrannt wurde. Irgendetwas ließ uns ahnen, dass sich das nun bald ändern würde. Unsere gute Aufklärung zeigte uns, dass an der Stelle wo die Karten angaben, tatsächlich auch die Befestigungen waren. Geschützt durch sechs Geschütz Batterien zeigte sich uns eine unaufhörlich sich ändernde Befestigungslinie. Die Streitkräfte mussten durch Schlamm und Matsch, bis unsere Fahrzeuge endlich den Westwall erreichten und in die Schussweite ihrer Geschütze kamen. Aber niemand schoss auf uns, und jedermann diskutierte die weitverbreitete Theorie, dass die Deutschen sich hinter den Rhein zurückziehen und dort eine 'Sieg oder Untergang' Verteidigungsstellung aufbauen wollten. Wir dachten, dass wir noch in Belgien seien. Ein paar hundert Meter zurück hatten die Leute uns noch zugewunken. Nun jedoch war da niemand mehr, außer uns selbst auf der Straße. Alles erschien uns unnatürlich ruhig, als wir aus einem kleinen Wald kamen. Die Silhouette eines Hauses tauchte an der linken Seite auf. Es war ruhig, düster und geheimnisvoll, und aus einem Fenster im ersten Stock hing ein weißer Lappen an einem Bambusstock. Es war kein Zivilist in Sicht, aber diese Fahne schien uns zu sagen "Schießt nicht". Die Häuser, die dort standen erschienen uns wie ein Spuk, und die herunterhängende weiße Fahne war wie ein Geist. Es war ein solcher Kontrast zu den keck wehenden Nationalfahnen in Frankreich, Holland und Belgien hinter uns, dass wir einmal tief durchatmen mussten. Kein Zweifel, hier war Feindesland.
15-Sep-1944, die deutsche Grenze. Zur gleichen Zeit mit uns überschritten rechts und links von uns andere amerikanische Truppen die deutsche Grenze. Die Infanterie zu unserer Linken war vor Aachen in die Bunkerlinie des Westwalls eingebrochen. Als die Deutschen merkten, dass wir tatsächlich in ihre Verteidigungsstellungen eingedrungen waren, starteten sie einen Gegenangriff. Aber es war zu spät; unsere Truppen hielten stand. Daraufhin zogen sie sich bei frontalem Angriff auf die zweite und letzte Bunkerlinie hinter Aachen zurück. Auf diese Weise fiel Bunker für Bunker. Viele der Bunker waren nur mit zwei oder drei Soldaten besetzt, statt wie vorgesehen von einer Abteilung. Soldaten waren eben Mangelware nach den Verlusten in Frankreich und Belgien. Andere waren auch desertiert. Die Bunkeranlagen waren clever durchdacht und gut ausgerüstet mit Belüftungs- Einrichtungen, Kojen und Elektrizität. Aber viele Geschichten über den Westwall waren wohl einfach Bluff. Ebenso wie die Franzosen es versäumt hatten, ihre Maginot Linie bis zur Küste auszubauen, schafften es die Deutschen nicht, den Westwall zu verbessern. Das Loch, welches wir bohrten, war klein im Vergleich zur der Gesamtlänge des Westwalls, aber es umfasste die Erweiterungen im Norden und Süden. Wenn alles erobert ist, wird es keine einzige Barriere bis zum Rhein mehr geben. Es gibt in der Truppe die weitverbreitete Meinung, dass der Krieg in ein paar Tagen zu Ende sein wird.
22-Sep-1944, bei Aachen. Die deutschen Zivilisten, die wir trafen, hoben meist bereitwillig die Hände über den Kopf. Sie waren verängstigt durch die Gestapo und unser geschäftsmäßiges Verhalten. Die Leute, die wir gesehen haben, waren alle folgsam, hielten sich aber sehr zurück. Der Grund dafür ist wahrscheinlich, weil unsere hohe Politik beschloss, dass Soldaten sich ebenfalls zurück zu halten haben. Ein anderer Grund ist, dass die Deutschen immer noch Angst vor uns haben, und dass Gehorsam sozusagen eine ihrer Grundeinstellungen ist. Es gab keine Anzeichen von Sabotage, obwohl eine leichte Panik in Bezug auf Spionage zu beobachten war. Es gab keinen Fall von 'verbrannte Erde' in der Gegend, die wir hielten und in all den Städtchen, die ich untersuchte. Einige Bewohner waren geflüchtet, aber bei weitem nicht alle. Dies erfuhr ich von einem 75 jährigen ehemaligen Offizier. Die Polizei war ebenfalls geflüchtet. Es gibt Grund anzunehmen, dass eine ihrer nächsten Aufgaben die Bekämpfung jeder Art von Erhebung gegen das Nazi-Regime sein wird. In den verschiedenen Grenzstädtchen, die nicht typisch für das ganze Reich sind, beobachtete ich, dass die amerikanischen Militärkommandanten Probleme hatten, geeignete deutsche Helfer für den Aufbau einer Zivilverwaltung zu finden. In Brand mussten sie sogar ein Mitglied der NSDAP zum Bürgermeister machen. Zivilisten leugnen, dass sie Nazis sind und wollen nicht offen gegen die NSDAP Stellung beziehen. Man kann leider nur sehr wenig Kritik hören. Auch wenn das so ist, unsere Richtung folgt aus dem, was ein U.S. Colonel so ausdrückt: "Wir sind nicht daran interessiert, was die Deutschen für eine Einstellung haben." Es gibt wenig Anzeichen von Freude oder wenigstens Erleichterung bei der Zivilbevölkerung, dass sie von der Nazi Unterdrückung befreit wurde. Diese sturen Bauern und Kleinstädter zeigen nach außen hin keine Schuld, dass sie nichts gegen die Machtergreifung der Nazis unternommen haben, oder etwa Scham, dass sie die Welt in einen Krieg stürzten. Sie haben ein kleines Lied, dass wohl an irgendeinen RAF Piloten gerichtet ist:
"Lieber Tommy, fliege weiter, nur arme Bauern leben hier. Fliege weiter nach Berlin, wo die lauten Ja-Schreihälse sind."
Ein alter Rheinländer steht beobachtend vor dem Gasthaus Schmitz. Auf der Lampe über ihm steht eine Werbung für Simonbräu (Bitburger) Bier.
Die ersten lachenden Gesichter sehen wir auf diesem Bild, aufgenommen in Roetgen. Andererseits schütteten Deutsche kochendes Wasser auf die amerikanischen Soldaten.
Die Drachenzähne des Westwalls in der Nähe von Roetgen südlich von Aachen wurden zuerst von Pionieren gezogen. Dann stößt der Sherman Panzer beladen mit Amerikanern durch. Das alles scheint unglaublich leicht zu sein, aber das war bevor die Deutschen einen verzweifelten Gegenangriff starteten.
Am Ende des Weizenfeldes sieht man getarnte Bunker des Westwalls, im Vordergrund amerikanische Soldaten. Die Bunker waren nicht besetzt. Der Hügel jenseits des Tales ist Luxembourg. Etwa eine Meile voraus liegt das Dorf Großkampenberg an der Straße nach Prüm.