Von August Heck, Roetgen
(Entnommen aus Nr. 2 der Heimatschriftreihe des Landkreises Monschau,1959: Walter Scheibler,
„Zwischen zwei Fronten“, Seite 335 bis 343)
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Städteregion Aachen.
Das Zurückfluten der deutschen Truppen kündigte sich durch Truppendurchzüge und starke
Einquartierung an. Bis 9. September 1944 marschierten unausgesetzt Truppen durch. Damit
steigerte sich die Lufttätigkeit der feindlichen Luftwaffe in beängstigender Weise, sodass die
Einwohner sich kaum noch aus den Häusern wagen konnten. In einem auffälligen Gegensatz zu
den Rückzugsbewegungen marschierte am Samstag, dem 9. 9. eine stärkere deutsche
Infanterie Einheit, die allem Anscheins nach neu aufgestellt und ausgerüstet worden war, durch
Roetgen gegen Eupen. Nach ihren Angaben hatte sie Befehl, durch Gegenangriff die
Vorwärtsbewegung alliierter Heeresverbände aufzuhalten. Es ist nicht bekannt geworden, was
später aus dieser Einheit geworden ist. Während der 10. September, ein Sonntag, ohne
irgendwelche Vorgänge verlief, sprengten am 11. September in den Vormittagsstunden deutsche
Nachhuten die wichtigsten Teile der Eisenbahnanlagen auf dem Bahnhof in Roetgen. Die
Sprengung war von solcher Gewalt, dass Eisenteile und Schienenstücke hunderte Meter weit
umherflogen. Am Nachmittag des gleichen Tages wurde eine deutsche Panzerabteilung, die auf
ihrem Rückzug Petergensfeld erreicht hatte, dort von alliierten Fliegerstreitkräften mit Bomben
und Bordwaffen angegriffen, wobei ein Munitionswagen getroffen wurde und in die Luft flog. Die
Besatzungen der Fahrzeuge retteten sich zum Teil hinter Hecken und Bäumen. Ein anderer Teil
suchte durch schnelleres Fortkommen und Ausweichen dem Angriff zu entgehen. Bis tief nach
Roetgen hinein wurden die Panzer verfolgt. Ihrer Vernichtung konnten sie sich nur dadurch
entziehen, dass sie unter Bäumen und Büschen Halt machten und sich so der Sicht der
feindlichen Flieger entzogen. Gleichfalls am 11. Sept. bewarfen feindliche Fliegerstreitkräfte die
deutsche Flakstellung auf dem „Acker" mit zahlreichen Bomben. Die deutschen Flaksoldaten, die
die betreffende Stellung inne hatten, hatten aber erkannt, dass sie an den Vortagen durch
feindliche Beobachtungsflugzeuge ausgemacht worden waren und wechselten ihre Stellung,
ließen aber zur Tarnung einiges Material zurück. Der feindliche Bombenangriff stieß also ins
Leere. An Standtruppen befanden sich in Roetgen nur Flaktruppen in Stärke von etwa 100 Mann.
Sie verließen am 11. September abends mit dem Eintritt der Dämmerung den Ort, um sich in
Rott neu festzusetzen.
In der Nacht vom 11. zum 12. September 1944 ging eine stärkere deutsche Infanterieeinheit
lautlos durch Roetgen zurück in Richtung Rott. Es war die letzte deutsche Einheit, die den Ort
passierte. Von ihnen war nur eben zu erfahren, dass amerikanische Truppen bereits in Eupen
seien. Von einem Gefühl völliger Vereinsamung befallen, erkannte man, dass man sich jetzt im
„Niemandsland" befand. Eine unheimliche Stille lag von da an über dem Ort. Ein Teil der
Einwohner hatte sich in die Evakuierung begeben. Der größte Teil aber hatte sie abgelehnt. Da
aber mit Rücksicht auf die an der Ostseite von Roetgen liegenden Westwallbunker immerhin
eine Gefahr kriegerischer Zusammenstöße im Ort selbst bestand, verließen viele Einwohner ihre
Behausungen und begaben sich in das westliche Waldgebiet, wo sie glaubten, größere
Sicherheit zu finden. Am 10. und 11. September konnte man von höher gelegenen Punkten aus
an dem Wechsel zwischen Granatabschüssen und Einschlägen das Vorrücken der Frontlinie im
Raum Herbesthal/Aachen beobachten. Das Erscheinen zahlreicher Aufklärungsflugzeuge der
feindlichen Luftmacht, die in gewissen Zeitabständen kamen und wieder verschwanden, ließ
aber das Herannahen feindlicher Heeresverbände auch für den Ort Roetgen nicht mehr
zweifelhaft sein. Am Bahnhof in Roetgen duckte sich noch eine deutsche Nachhut, um das
Erscheinen solcher Verbände abzuwarten. Sie warteten noch bis zum 12. September
nachmittags gegen 14.30 Uhr.
Zu dieser Stunde rückten amerikanische Truppen von Eupen her zunächst in Petergensfeld
ein, schwärmten hier durch alle Gassen und Wege, legten Fernsprechleitungen und
stießen unmittelbar darauf vor dem Bahnhof in Roetgen über die Reichsgrenze und
brachten auf der rechten Seite des Bahngeländes Geschütze in Stellung. Die deutsche
Nachhut suchte im Schutze des Eisenbahndamms in der Offermannstraße in Richtung
Fringshaus zu entkommen, wo sie sich neu festsetzten: Der andere Teil, der Nachhut entwich
durch das Grölisbachtal in Richtung der Dreilägerbachtalsperre. Einer der zurückgehenden
Soldaten wurde im Grölisbachgebiet durch feindliches Feuer angeschossen und schwer
verwundet. Er brachte den Nachmittag über in einem Haferfeld zu und suchte am Abend die
Häuser im Rommel-weg auf, wo er mit Lebensmitteln und Zivilkleidung versehen wurde, um das
Krankenhaus in Roetgen aufsuchen zu können. Die anderen Soldaten schwärmten auseinander
und suchten sich hinter Büschen und Hecken dem feindlichen Infanteriefeuer zu entziehen, um
dann schließlich die schützenden Westwallbunker zu erreichen. Als die amerikanischen Truppen
keinen ernsthafteren Widerstand mehr sahen, stießen sie in den Ort selbst vor. Das geschah
zunächst dadurch, dass sie eine Panzerabteilung durch die Rosentalstraße vormarschieren
ließen. Der Abteilung voraus marschierte zu beiden Seiten der Straße in 2 bis 3 m Einzelabstand
eine Abteilung Scharfschützen, die mit schussbereitem Gewehr alle Vorgänge um sich herum
beobachteten und es dabei hauptsächlich auf versprengte deutsche Soldaten abgesehen hatte.
Am „Siefchen" bog die Abteilung in den Rommelweg ein und setzte ihren Weg bis zum
„Kreitzenende" fort, wo sie 100 Meter vor den ersten Bunkern Halt machte, nachdem sie hier mit
MG-Feuer angefallen wurde. Hier fiel auf deutschem Boden der erste amerikanische Offizier. Im
weiteren Verlauf des Nachmittags rückten weitere Panzereinheiten auch über die Hauptstraße
nach. Andere Panzer kämmten die übrigen Dorfstraßen nach deutschen Soldaten durch. Das
Feuer, das den amerikanischen Soldaten aus den Bunkern entgegenschlug, blieb natürlich nicht
unerwidert. Die am Bahnhof in Stellung gebrachten Geschütze feuerten auf die Bunker und in
den Kessel zwischen dem „Vallheiderberg", der Sperrmauer, dem Struffeltberg, Hollensiefen und
Münsterwald. Dabei wurden das Haus von Alois Klubert, das Wärterhaus neben der Sperrmauer
und die gesamte Filteranlage des Wasserwerks im Distrikt Hollensiefen in Brand geschossen
und vollständig zerstört. Eine große Anzahl von Granaten ging auf der Feldflur „Acker", wo man
noch die abgerückte Flakabteilung vermutete und in den anschließenden Münsterwald nieder,
weil man vermutete, dass sich hierin deutsche Soldaten verschlagen hätten. Die Nacht vom 12.
zum 13. September verlief ohne besondere Vorkommnisse. Am 13. September morgens setzten
sich die Kämpfe vor den Bunkern wieder energisch fort. Den Hauptwiderstand leistete der
Bunker links vom Grölisbach, der dort fast unsichtbar im Hang des Münsterwaldes eingebettet
lag. Aus diesem Bunker feuerten noch deutsche Soldaten, als amerikanische Soldaten oben
bereits auf seiner Decke herumspazierten. Von amerikanischer Seite verlautete, der Bunker
würde zu gebaggert, wenn die Besatzung das Feuer nicht einstelle. Am 14. September ergaben
sich sämtliche Bunkerbesatzungen und am gleichen Tage stießen die Amerikaner nach Rott und
Mulartshütte, am 16. 9. nach Zweifall und am 18. und 20. 9. nach Stolberg durch. Damit war der
Westwall an einer Stelle durchbrochen worden, wo man es nicht vermutete. Es berührte in der
Zivilbevölkerung eigenartig, dass die Amerikaner sofort bis Stolberg vorgestoßen waren,
während sie ihre rechte Flanke bei Roetgen, wenigstens zunächst, hängen ließen. Bald aber
er-kannte man, dass ein größeres Ziel, nämlich die Einschließung von Aachen, damit
beabsichtigt war. Während sich die zweitägigen Kämpfe an der Talsperre abspielten, suchten die
deutschen Nachhuten, die vom Bahnhof aus nach Fringshaus hatten entkommen können, die
Amerikaner in der Roetgener Flanke zu stören. Das war nicht nur gefährlich für die
Zivilbevölkerung, sondern auch lästig und störend für die Amerikaner. Die letzteren stießen
deshalb zu beiden Seiten der Bundesstraße durch den Wald vorgehend, bis Fringshaus durch
und drängten die dort plänkelnde deutsche Abteilung nach Lammersdorf hinunter.
„STADT" ROETGEN EINGENOMMEN
Inzwischen erfuhr man von den eingerückten Truppen, dass sie zur 1. amerikanischen Armee
gehörten, die unter dem Befehl des Generals Bradley standen. Über die Besetzung von Roetgen
ließ der amerikanische Rundfunk die Meldung verbreiten, dass Truppen ihrer 1. Armee südlich
von Aachen die deutsche Reichsgrenze überschritten hätten und bereits die erste deutsche
„Stadt" Roetgen von ihnen besetzt worden sei.
Am 13. September rückten erneut starke motorisierte Infanterie - und Panzereinheiten in den
Ort ein und blieben im unteren Teil des Dorfes nach Rott hin liegen, bis am 14. September der
Weg durch den Sperrgürtel an der Talsperre freigekämpft war. Untermischt waren diese
Einheiten von Luftabwehrgeschützen, Sanitätsfahrzeugen und Straßenbautrupps. Der 14.
September brachte den Einmarsch starker motorisierter Artillerie, die über den ganzen Ort
zerstreut Stellung bezog und sofort begann, ihre verderbenbringende Saat in die ganze
Umgebung zu versenden. In der Zeit vom 16. bis 23. September trafen täglich neue
Truppenverstärkungen ein, die sich auf ein längeres Verweilen einrichteten. Kampfhandlungen
fanden in und bei Roetgen aber nicht mehr statt. Diese wickelten sich nunmehr außerhalb des
Beobachtungsbereiches der Roetgener Zivilbevölkerung ab.
Am 22. September fand erstmalig ein amerikanischer Feldgottesdienst in der katholischen
Kirche statt.
Am 18. Oktober erhielt jeder erwachsene Ortseinwohner einen Personalausweis der
Besatzungsmacht, den jeder bei sich zu führen hatte. Am 2. Oktober erfolgte die
Inanspruchnahme der Unterrichtssäle der kath. Volksschule für Kriegslazarette, in die im Laufe
der Monate auch viele deutsche Soldaten eingeliefert wurden. Am 3. Oktober trat die inzwischen
eingetroffene amerikanische Militärpolizei in Aktion. Sie befasste sich mit den zurückgebliebenen
Angehörigen der NSDAP und suchte die Bevölkerung zu ermahnen, keine Spionage nach
Deutschland zu betreiben, denn die Sicherheit der Amerikaner bedeutete auch die Sicherheit der
deutschen Zivilbevölkerung vor deutschen Feuer- und Luftüberfällen.
Am 16. Oktober war schwächeres amerikanisches Geschützfeuer. Abends gegen 9 Uhr setzte
plötzlich ein konzentriertes deutsches Feuer auf den Mittelpunkt von Roetgen ein. Mehrere
Häuser, darunter das Sparkassengebäude, erhielten Treffer. Andere Häuser erlitten Spreng- und
Splitterschäden. Der Weber Heinrich Dobbelstein von hier wurde in seiner Wohnung von einem
Granatsplitter im Kopf getroffen. Er wurde in das amerikanische Kriegslazarett eingeliefert,
wegen der Kompliziertheit der Verletzung aber in das rückwärtige Etappengebiet gebracht. Die
Angehörigen erhielten keine Nachricht über seinen Verbleib. Heinrich Dobbelstein blieb bis heute
verschollen. Ein amerikanischer Armee-Feldgeistlicher hat sich überall in Eupen und in Belgien
nach ihm erkundigt, aber nichts ermitteln können. Am 17. Oktober in den Abendstunden war
schwe-res Artilleriefeuer um Aachen hörbar. Um 21.30 Uhr erreichte deutsches Artilleriefeuer den
südöstlichen Teil von Roetgen, wobei das Haus von Gregor Knott getroffen wurde. Am 18.
Oktober war wiederum schweres Artilleriefeuer um Aachen hörbar. Abends überflo-gen starke
Bomberverbände den Ort. Um 21.30 Uhr waren deutsche Erkundungsflieger mehrere Stunden
über Roetgen. Der 19. Okto-ber brachte wieder schweres Feuer der amerikanischen Batterien. In
der Nacht zum 21. Oktober drangen deutsche Truppen in Lammersdorf ein, wurden aber durch
einen amerikanischen Gegenangriff wieder verdrängt. Vom 20. bis 30. Oktober war täglich
amerikanisches Geschützfeuer. Am 23. Oktober wurde die erste V1 in schnellem Ost-Westflug
beobachtet. Am 25. Oktober mussten die Bewohner des Rommelweges ihre Häuser unter
Zurücklassung des Inventars räumen, da sie amerikanischen Angriffstruppen, die in einem steten
Fluss neu eintrafen, zur Verfügung gestellt werden mussten. Am 30. Oktober 1944 fielen 10
deutsche Granaten in das Dorf. Nur die Häuser von Alfons Heinen und Witwe Paul Heinen
erhielten Treffer. In der Nacht vom 31. Oktober zum 1. November streute die deutsche Artillerie
wieder eine größere Anzahl von Granaten, verteilt über die gesamte Häusermark. Die in der
Nähe der evangelischen Kirche gelegenen Unterkunftsbaracken, welche von der amerikanischen
Besatzung benutzt wurden, gingen in Flammen auf, und ein Munitionslager kam mit
lautem Knall zur Explosion.
Vom 3. bis 15. Dezember war täglich Geschützfeuer von verschiedener Stärke. In der
Nacht vom 15. zum 16. Dezember schlug plötzlich heftiges deutsches Artilleriefeuer nach
Roetgen, ohne dass besondere Ziele getroffen wurden. Um 4 Uhr morgens setzte ein sehr
starkes deutsches Feuer ein, das den Südrand von Roetgen heimsuchte. Die Häuser von
Johann Küsgens und Hugo Stollewerk wurden durch Volltreffer schwer beschädigt. Der
Viehbestand von Johann Küsgens musste teilweise notgeschlachtet werden. Bei Anbruch der
Tageshelle konnte man beobachten, dass die Geschütze der Amerikaner auf Südrichtung
gedreht worden waren, was darauf schließen ließ, dass nach Süden hin etwas Besonderes in
Vorbereitung war. Der Pfarrer von Roetgen musste auf Veranlassung der Ortskommandantur die
Frühmeßbesucher auf der Stelle nach Hause schicken, da Gefahr eines großen deutschen
Angriffs bestand. Der Pfarrer machte ferner ein völliges Ausgehverbot für die Zivilbevölkerung
bekannt, weil die amerikanische Armeeführung mit militärischen Zusammenstößen innerhalb des
Ortes rechnen müsse. Tiefe Niedergeschlagenheit lastete auf der Bevölkerung. Um 8 Uhr hörte
das deutsche Fernfeuer auf. Von den Amerikanern wurde der um 4 Uhr morgens einsetzende
deutsche Beschuss als das Feuer von deutschen Eisenbahngeschützen, die bei Weismes
gestanden hätten, ausgemacht. Die amerikanische Artillerietätigkeit war im Tageslauf des 16.
Dezember auffallend gering. Am Abend war eine längere deutsche Fliegeraufklärung. Der 17.
Dezember brachte nur eine gemäßigte Artillerietätigkeit in südlicher Richtung. In der Nacht zum
18. Dezember fand eine große deutsche Luftaufklärung unter Setzen von Leuchtschirmen statt,
die stundenlang anhielt. Die Amerikanische Artillerie und Flak beobachtete wiederum,
währenddessen eisiges Schweigen. Außerhalb der Ortsmark, es soll nach amerikanischen
Angaben zwischen Schwerzfeld und Mützenich gewesen sein, waren durch deutsche Flugzeuge
Fallschirmspringer abgesetzt worden. Vier von ihnen wurden beim Durchkämmen des Geländes
tot aufgefunden, andere gefangengenommen, wie von der MP zu erfahren war. Daraufhin
setzten umfangreiche Haussuchungen der MP ein. In Roetgen selbst wurde jedoch niemand
gefunden. Um 12 Uhr mittags war ein kurzer deutscher Fliegerangriff ohne irgendwelche
örtlichen Ergebnisse. Am 18. Dezember setzte um 1 Uhr früh wiederum eine lange deutsche
Luftaufklärung unter Setzen von Leucht-schirmen entlang des ganzen Frontbogens von Norden
über Osten bis Süden ein. Ohne Rücksicht hierauf setzte amerikanisches Abwehrfeuer ein. Um 8
Uhr gleichen Tages begann ein deutscher Fliegerangriff, der auf starkes Abwehrfeuer der Flak
stieß. Um 12.30 Uhr erfolgte ein neuer Luftangriff, bei dem ein Flugzeug am Pilgerborn brennend
zu Boden stürzte. Die Besatzung konnte sich durch Fallschirmabsprung retten. Das am 16.
Dezember verhängte Ausgehverbot für die Zivilbevölkerung dauerte bis 21. Dezember. Am 22.
trat eine Lockerung desselben ein insofern, als für die Hausfrauen eine Tagesstunde zum
Einkaufen freigegeben wurde. Am 21., 22. und 23. Dezember war starkes Artilleriefeuer in
südlicher Richtung.
Inzwischen wurde in der Bevölkerung bekannt, dass zwischen Monschau und Luxemburg eine
große deutsche Offensive begonnen habe, die unter dem Befehl des General Gerd von
Rundstedt stehe. Amerikanischerseits hatte man eine Schwenkung dieser Offensive in Richtung
Roetgen und Eupen erwartet, die darauf hätte abzielen können, die zwischen Roetgen, Aachen
und Düren stehenden amerikanischen Truppen abzuschneiden. Am 22. Dezember erfolgte daher
eine Verstärkung der Artillerie. Abends war wieder eine längere deutsche Lufterkundung. Der 23.
Dezember brachte den ganzen Tag über schweres und langandauerndes amerikanisches
Geschützfeuer in südlicher Richtung. Viele Hausdächer wurden vom Luftdruck feu-ernder
Geschütze teils abgedeckt, teils beschädigt. An vielen Häusern zersprangen die
Fensterscheiben. Ein deutscher Jäger wurde bei einem Erkundungsflug über Roetgen
abgeschossen und stürzte auf einer Wiese im Grölisbachtal brennend ab. Der Flugzeugführer
wurde von amerikanischen Soldaten aus den Trümmern der Maschine geborgen. Ihm war der
Kopf vom Rumpfe getrennt worden. Auch am 24. Dezember setzte sich das starke
amerikanische Geschützfeuer in südlicher Richtung fort. Ab Mittag fuhr ein steter Strom von
Panzern durch den Ort in Richtung Eupen. Es war ein so großer Truppendurchzug in
gegenläufiger Richtung, dass die ganze Zivilbevölkerung meinte, die Amerikaner müssten zurück
und die Deutschen kämen wieder. Die amerikanischen Soldaten lächelten über diese Ansicht
und erklärten, sie würden über Eupen in die Ardennen geworfen, um den Einbruch von
Rundstedt abzuriegeln. Den ganzen Tag über zogen große alliierte Bombereinheiten in west-
südöstlicher Richtung. Sowohl am 24., 25. und 26. Dezember war unausgesetzt amerikanische
Artillerietätigkeit, die nur in den Nachtstunden nachließ. Am letztgenannten Tage erfolgte um 13
Uhr ein starker Luftangriff auf die amerikanischen Artilleriestellungen entlang der Eisenbahnlinie
von der Feldflur „Acker" bis zur Offermannstraße. Geschütze und Stellungen gingen in Brand
auf. Eines der angreifenden Flugzeuge stürzt brennend auf das Wohnhaus der Familie Noel in
Petergensfeld ab.
Vom 27. bis 31. Dezember war täglich amerikanisches Geschützfeuer. Am 28. Dezember
zogen über 400 USA-Bomber unter Jägerschutz in west-östlicher Richtung über Roetgen. Am 1.
Januar 1945 erfolgte um 9 Uhr morgens ein deutscher Luftangriff auf die amerikanischen
Artilleriestellungen rund um Roetgen. Eine der angreifenden Maschinen stürzte brennend ab.
Vom 2. bis zum 12. Januar 1945 war zwar täglich, aber nur noch schwächeres amerikanisches
Geschützfeuer zu verzeichnen, was offensichtlich mit dem Nachlassen und dem späteren
Zusammenbruch der Ardennenoffensive in Zusammenhang stand. Am 4. Januar 1945 erreichten
noch einmal eine Anzahl deutscher Granaten den östlichen Rand von Roetgen, wobei das Haus
von Hubert Nellessen im „Brand" einen Treffer erhielt. Am 12. Januar 1945 wurden durch die
Orts-Kommandantur von jeder Haushaltung eine bestimmte Anzahl Betttücher eingezogen, die
für die Anfertigung von weißen Tarnanzügen für die amerikanischen Soldaten der
Ardennenoffensive bestimmt sein sollten. Am 13. Januar setzte ab 17 Uhr abends plötzlich
starkes amerikanisches Abwehrfeuer ein, das bis zum Morgen des 14. Januar andauerte. Es
berührte den Frontbogen von Nordosten bis Südosten und stand nach amerikanischen Angaben
mit Angriffen in Zusammenhang, die deutscherseits gegen den vorgenannten Frontbogen
gerichtet wurden. Am 14. Januar wurde ein deutsches Erkundungsflugzeug im Walde bei
Münsterbildchen abgeschossen. Der 15. Januar brachte wieder stärkeres Geschützfeuer und
den Abschuss eines deutschen Flugzeu-ges im Distrikt Pilgerborn. Der 16. Januar ließ nur
schwächeres Ge-schützfeuer aufkommen. Amerikanische Militärpolizei hielt allgemeine
Haussuchungen ab nach Waffen und Heeresgut. Die Skiläufer mussten auf Anordnung der
Kommandantur ihre Schneeschuhe abgeben. Der 17. und 18. Januar hatte nur vereinzeltes
Geschützfeuer. Am 19. Januar wurde von der Besatzungsmacht bekanntgegeben, dass die
deutschen Truppen, die am 16. Dezember 1944 zwischen Luxemburg und Monschau einen
Offensivvorstoß in Richtung Lüttich unternommen hätten, wieder auf ihre Ausgangsstellungen im
Westwall zurückgeworfen worden seien.
EISENHOWER IN ROETGEN
Der 20. Januar 1945 brachte plötzlich eine größere Absperrung durch Militär-Polizei und
Posten in der Hauptstraße. Eine stark gesicherte Autokolonne brachte den Ober-
Kommandierenden der amerikanischen Streitkräfte, General Eisenhower, nach Roetgen, wo er
mehrere Stunden in dem von einem höheren Militärbefehlshaber bewohnten Hause Nr. 204
verweilte.
Am 27.1. mussten auf Anordnung der Orts-Kommandantur die Rundfunkgeräte abgeliefert
werden. Bis dahin war das Abhören auch der deutschen Rundfunksendungen gestattet.
Am 1. Februar war das Geschützfeuer nur noch schwach. Flüchtlinge aus Huppenbroich und
anderen Ortschaften des Kreises, die von den Amerikanern bei einem Vorstoß aufgebracht
worden waren, wurden in Roetgen untergebracht. Im Laufe des Tages wurde bekannt, dass die
Amerikaner die Ortschaften Konzen, Eicherscheid, Huppenbroich und Kesternich eingenommen
hätten. 467 deutsche Kriegsgefangene wurden auf LKW's durch Roetgen abtransportiert. Infolge
dieses Vormarsches gaben die Amerikaner eine Reihe ihrer Geschützstellungen in Roetgen auf
und zogen ab.
Ab 17. Februar fanden keine unmittelbaren Kriegshandlungen mehr statt. Vom vorgenannten
Tage ab bis zum 25. Februar zogen täglich Truppen ab, während neue wieder ankamen und
nach einigen Tagen wieder weiterrückten. Daneben folgten Truppendurchzüge größten Stils in
Richtung und unter der Devise „Rhein". Am 1. März rückten die letzten Standtruppen ab. Am 4.
März räumte die Sicherheitspolizei ihre Quartiere und zog ebenfalls ab. Am 19. März zog eine
größere Formation amerikanischer Negertruppen ein, deren Aufgabe es war, die von einer
amerikanischen Ingenieurtruppe im Kampfgebiet nach genau ausgearbeiteten Plänen gelegten
Minenfelder zu räumen. Anfang Mai war diese Arbeit beendet und die schwarzen Truppen zogen
wieder ab. Damit war der Ort von fremden Truppen wieder frei. Lediglich in Monschau blieb eine
amerikanische Kreiskommandantur zurück, die später durch die britische Kommandantur
abgelöst wurde.
Für die Unterbringung der amerikanischen Feldtruppen während des Frontzustandes waren
ab November 1944 nach und nach zwei Drittel aller Häuser von ihren Bewohnern geräumt
worden, während die gesamte Bevölkerung auf das restliche eine Drittel der Häuser verwiesen
war. Als um die Mitte des Monats März das Beziehen der beschlagnahmt gewesenen
Wohnungen wieder gestattet wurde, sah es wüst in diesen Wohnungen aus. Alle waren
verschmutzt, mehr oder weniger beschädigt und mussten renoviert werden. Das Hausmobilar
war vielfach beschädigt, zerstört oder in die Waldstellungen zwischen Roetgen,
Lammersdorf und Germeter verschleppt worden. Da zu der betreffenden Zeit der größte
Teil der Männer noch im deutschen Heer stand oder kriegsgefangen war, lastete eine
schwere Aufgabe auf den Frauen und Kindern, die fast ihre Kräfte zu übersteigen drohte.