1949 bekamen wir an der katholischen Volksschule in der Hauptstraße einen sogenannten
"Junglehrer" H. Roder aus Aachen zugeteilt. Heute wird das Gebäude als Familienzentrum
genutzt (ehemals Kita "Wackelzahn", Schachclub, Übungsräume des Roetgener Jugendorchesters
und mehrerer anderer Vereine).
Er war Jahre unser Klassenlehrer der Oberstufe Jungen, bis zu seiner Versetzung an die Realschule
in Gemünd. Die Oberstufe war eine Zusammenfassung der Klassen 6, 7 und 8. Das Gleiche galt
auch für die Mädchen, die zu jener Zeit von der Schulleiterin Frl. Wynands unterrichtet wurde.
Blick in die Roetgener Schulgeschichte:
Der Roetgener Schulstreik
Erlebt und berichtet von Richard Reinartz
Wir waren von unserem Herrn Lehrer Roder sehr begeistert. Er war jung, sportlich, brachte uns
zusätzlich zu den üblichen Unterrichtsfächern noch Englisch und Physik bei. Dabei kann ich
mich noch gut erinnern, dass die Gemeinde Roetgen für den Physikunterricht einen Oszillographen
und andere physikalische Geräte anschaffte, denn bei den Versuchen zerbrach ich einmal ein
Reagenzglas. Dieses musste ich von meinem Taschengeld ersetzen. Zudem hatte unser Lehrer
ein Feldtelefon mit Dynamo der Deutschen Reichspost als Lernmittel im Physikunterricht. Dieses
gute Stück hatte er von seinem Vater, der einst bei der Deutschen Reichspost beschäftigt war.
1951 beschloss die Gemeinde Roetgen, die Schule um drei weitere Klassenräume zu erweitern.
H. Roder sollte aber versetzt werden, und eine Verzögerung bei der Inbetriebnahme des Anbaus
der Schule 1952/53 waren der Anlass zu einem Streik der Jungenoberklasse.
Die Zahl der Schüler an der Volksschule Roetgen entwickelte sich damals so rasant, dass die
Erweiterung der alten Schulgebäude um das Doppelte einfach notwendig wurde. Nach Fertigstellung
des Anbaus sollte das neue Gebäude eingeweiht werden und für die Schulklassen zur Unterrichtung
frei gegeben werden. Durch Differenzen über einen Einweihungstermin zwischen der Schulleiterin
Frl. Wynands und dem katholischen Pfarrer Ludwig Heinen verzögerte sich die Benutzung der
neuen Schulräume. Bis zu dem Streiktermin hatte die Oberstufe - mangels Klassenräumen - zweimal
in der Woche nachmittags Unterricht.
Diese Ungereimtheiten verdrossen die Schüler, und sie beschlossen zu streiken. Man fertigte
Transparente an, verfasste Lieder und Sprüche und man ging, statt zum Unterricht in die Hauptstraße
vor das Schulgebäude und zog dort auf und ab, um seinen Willen zu bekunden. Bei dieser Aktion
schritt die Polizei ein, und die beiden Ortspolizisten H. Ehrichs und H. Mayer nahmen die Streikenden
in Gewahr. Zu dieser Zeit war die Polizeiwache im Hause Hans Herriger Hauptstraße/
Faulenbroichstraße untergebracht. Die Wache bestand aus zwei Räumen. Unter dem
Vernehmungsraum befand sich der Keller. In diesem saß der Sohn des Hauses, auch ein
Streikender und konnte aufgrund der schlechten Isolierung der Kellerdecke die
Vernehmungsgespräche belauschen. Diese teilte er seinen Klassenkameraden mit, und so erhielten
die Polizeibeamten stets die gleichen Vernehmungsaussagen. Strafrechtlich war, außer der
Sprüche und Gesänge an die Schulleitung und das Nichterscheinen zum Unterricht, nichts zu
befürchten. Aber wegen des massiven Streikens wurden die Forderungen der Oberstufe seitens
der Schulleitung erfüllt. Plötzlich konnten die neuen Klassenräume sofort benutzt werden.
PS: Namen und Daten habe ich wegen noch lebender Personen ausgeklammert.
Kurze Schulchronik1
Katholische Schule
1768
Caplanei- und Schulhausbau Im Naahtsbroich (untere Faulenbruchstraße)
1828
Bau einer neuen Schule "am Ziegel" an der Kapelle, 1. Bauabschnitt,
der heutige linke Altbau
1852
2. Bauabschnitt, Umbau und Erweiterung um eine Klasse
und um eine Lehrerwohnung
1854
Übernahme der Kinder von Petergensfeld, das zur Gemeinde Raeren gehörte,
in die Roetgener Schule
1858
Bau einer kleinen Turnhalle am "Spritzenhäuschen"
1860
Unterteilung eines kleineren Schulsaales für eine 3. Klasse
1861
Umgebaute Marienkapelle wurde als Schulsaal für die 3. Klasse benutzt
1881
3. Bauabschnitt an der Schule, Erweiterung um einen Schulsaal
1899
4. Bauabschnitt Einrichtung einer 4. Klasse
1915
Einrichtung einer 5. Klasse
1916
5. Bauabschnitt, Erweiterungsbau um 4 neue Klassen
1951/52
6. Bauabschnitt, Erweiterung um 3 weitere Klassen,
bis zum jetzigen Zeitpunkt so erhalten.
1 Entnommen dem Bericht “Geschichtliches über Roetgen” von August Heck und Hermine
Wolf.