Cholera - Kirchhof
Aus "Schriften eines Monscheuers", Band II: "Lexikon", 1864-1871
Als die im Jahre 1817 in Asien entstandene Cholera oder asiatische Brechruhr sich zum ersten
Male dem preußischen Staate näherte, wurden alle möglichen Vorkehrungen getroffen. Überall an
den Grenzen wurden Militärkordons errichtet. Niemand durfte ohne eine sechswöchige Quarantäne
nebst vorschriftsmäßiger Reinigung seiner selbst und aller seiner Effekten die Grenze passieren.
Wollte jemand sich dieser Vorschrift nicht unterwerfen oder sich den Eingang auf Schleichwegen
verschaffen, so wurde er nach der Strenge des Gesetzes bestraft, wohl auch bei Widersetzlichkeit
am Ort des Betretens von der Schildwache erschossen. Mehr als diese Vorkehrungen kosteten dem
Reiche die inneren Anstalten, die zum Empfang der Cholera betrieben wurden. Alle nur zum Gebote
stehenden Mittel wurden angewendet, um beim Ausbruch ihren Fortgang zu verhüten.
Nicht allein in den Städten, selbst in den größeren Dörfern wurden besondere Krankenhäuser mit
allen nötigen Arzneien und Lebensmitteln eingerichtet, Ärzte und Krankenwärter an-geordnet und
eigene Begräbnisplätze für die an Cholera Ver-storbenen außerhalb des Ortes angelegt. Durch
allerhöchsten Kabinetterlass wurde verordnet, dass alle von dieser Seuche befallenen Städte,
Flecken und Dörfer durch Wachen einge-sperrt und von allem Umgang mit nicht angesteckten
Orten abgeschnitten werden sollten. Sogar einzelne Häuser und Stra-ßen waren von diesem Befehl
nicht ausgenommen. Es sollte nicht einmal erlaubt sein, dass ein Freund den anderen in solch
trauriger Lage besuchte. So war es Vorschrift der Landesobrig-keit. Allein, wie jedes Übel in der
Ferne schrecklich scheint als näher, so war es auch mit dieser Seuche, und je näher sie kam, desto
weniger fürchtete man sie. Als die Krankheit anfing, in unserem preußischen Staate sich
auszubreiten, wurde die sechswöchige Quarantäne in ein fünftägige umgeändert, und an
Absperrung der Städte, Dörfer und Häuser wurde nicht gedacht. Am 5. September 1832 erschien
sie zuerst in unserer Nachbarstadt Aachen, jedoch in einer sehr gelinden Form. Vom 12. September
bis zum 15. Oktober hatte sie dieser Stadt nur 74 Menschen gekostet. Einige Tage später brach sie
auch im benachbarten Haaren und Würselen aus.
Der obrigkeitlichen Verfügung gemäß wurden in Roetgen eine eigene Begräbnisstätte für die an
der Cholera Krankheit verstorbenen Einwohner hergestellt, und zwar außerhalb des Dorfes am so
genannten "Pilgerborn". Nachdem er mit einem Graben zur Ableitung des Wassers versehen und
für beide Konfessionen in zwei verschiedene Teile getrennt worden war, nahm der damalige Pfarrer
THELEN am 22. Sept. 1832 die Einsegnung des für die kath. Leichen bestimmten Teiles vor. Auch
ward auf dem kath. Teile ein kleines, hausteinernes Kreuz hingestellt, das aber bald von Hand
hiesiger "Bilderstürmer" zertrümmert worden ist. Zu seinem Zwecke hat man ihn bisher noch nicht
gebraucht, indem, Gott sei Dank, hier nie eine Spur der Cholera entdeckt wurde. Wohl aber hat der
ungeweihte Abschnitt des Cholerafriedhofes eine Leiche aufnehmen müssen, der ein ordentliches
Begräbnis auf dem gewöhnlichen Gottesacker versagt war. Es war die des Johann Peter KREITZ,
der am 17. April 1842 auf der Höhe von Strouffeld, zwischen Roetgen und Rott, an einen Baum
erhängt, gefunden wurde. Er war der Sohn eines gewissen Anton KREITZ von hier und wurde
"Daste Pitt" genannt. Er wurde am 22. desselben Monats von einem Johann SCHARTMANN,
Fuhrmann und Sohn des damaligen Bürgermeisters Johann SCHARTMANN, auf dessen Karre zum
Cholera - Friedhof gefahren und dort begraben.
Von Hermann Josef Cosler
Seit 1832 hat die Cholera in unserer Gegend wenig Schaden angerichtet, ausgenommen im
Jahre 1848, wo sie in Aachen wieder gefährlich wurde. Mehr als je haben wir uns jetzt in
diesem Augenblicke vor dem grausamen Würgengel zu fürch-ten, indem sie sich schon vor
drei Monaten (Aug.1866) in unserer Nachbarschaft eingefunden hat. Sie hat mit ihren
unangenehmen Besuchen schon die Städte Eupen, Burtscheid, Aachen, Eschweiler und
Stolberg erreicht, wo sie in wenigen Wochen manchen in die Ewigkeit hinübergeschickt hat
und jetzt auch immer bedrohlicher wird. Angesichts der drohenden Gefahr sah sich der
ohnehin gewissenhafte Pfarrer FISCHER schon am 12. August diesen Jahres veranlasst,
eine Bittprozession nach Zweifall anzustellen, um auf die Fürbitte des hl. Rochus, des
dortigen Pfarrpatrons, dessen Fest am genannten Tage gefeiert wurde, von dem Einbruche
der Cholera und aller bösartiger Krankheiten, so namentlich auch von der im benachbarten
Belgien schon längerer Zeit grassierenden Viehseuche (Löserdürre, Rinderpest), bewahrt zu
bleiben. Außerdem wurde zu diesem Zwecke am 4. September ein Hochamt in der hiesigen
Pfarrkirche gehalten.
Ausschnitt aus dem Urriss von 1826, Roetgen, Flur X
Diese Flurkarte, ein sog. Urriss, die von 1826 bis ca. 1925 in Gebrauch war, zeigt die von
Cosler bezeichnete Stelle für den Cholera-Friedhof. Das Grundstück gehörte
wahrscheinlich einem Anton Kreitz (Daste-Kreitz -> Eysoldt-Ahnen-Nummer 1684), wie
man auf der Karte oberhalb von "Pilger Bohr" lesen kann. Sein Sohn "Daste-Pitt" war der
von Cosler erwähnte Selbstmörder. Es sieht so aus, als ob der Selbstmörder auf dem
Grundstück seiner Vorfahren bestattet wurde - der zumindest teilweise auch der Cholera-
Friedhof war. Einen Hinweis auf der Karte findet man aber nicht. Warum der Flurname
"Pilger Bohr" und nicht Pilgerborn verwendet wird, gehört wohl zu den Amtsgeheimnissen
der damaligen Behörden. Das auf der Karte eingetragene Wohnhaus liegt genau
gegenüber der Einmündung der heutigen Südstraße in die Pilgerbornstraße.
Heute ist es naturgemäß schwierig, ein Überbleibsel oder einen Hinweis auf den
Cholera-Friedhof zu entdecken. Auf der gezeigten aktuellen Karte (Google Map) haben
wir die Anga-ben von H. J. Cosler noch einmal markiert. Die Form des Grundstückes hat
sich seit dem 19. Jh. kaum verändert. Die Begrenzungswege Halmesfahrt und
Pilgerborner Straße sind die gleichen wie vor ca. 150 Jahren.
Panorama Foto von der Halmesfahrt Richtung Osten
So sieht es heute (2013) am Cholera-Friedhof aus. Es sind die südlichen Wiesen zwischen
Halmesfahrt im Westen und Pilgerborner Straße im Osten. Ob der Friedhof gar im heutigen
Wald lag (Richtung Süden), der jetzt zu Belgien gehört, ist nach Coslers Skizze nicht zu
entscheiden. Für wahrscheinlich halten wir das aber nicht.